- Teil 2 -
Diese drei Lieder wurden nicht als Single veröffentlicht, da hatte man anderen Songs offenbar mehr Erfolg zugetraut. So zum Beispiel „Gaby wartet im Park“. Dieses hat Udo gerne live gespielt, und es handelt sich hierbei um die erste Auskopplung des Albums mit der B-Seite „Willkommen in meinem Leben“, sie wurde bereits Anfang März und damit vor dem Album veröffentlicht und erreichte im April 1981 Platz 37 der deutschen Charts. Das Thema des Liedes - ein Mann, der "in letzter Sekunde" sein Verlangen unterdrückt, und den Verlockungen von "Gaby" widersteht - hat sicherlich viele Männer angesprochen, die sich darin selbst wiedererkannt haben. Bei einem seiner späteren Solokonzerte hat UDO JÜRGENS ausführlich über die drei Protagonisten der Geschichte philosophiert und für alle Beteiligten Verständnis geäußert - es menschelt sowohl beim Ehemann, dessen Frau und eben auch Gaby, die alleine im Park zurückbleibt.
Die zweite Single war dann im Juni „Ich sah nur sie“ / „Schenk mir noch eine Stunde“, welche am 23. Mai in der ARD-Sendung "Musikladen extra" erstmals dem Fernsehpublikum vorgestellt wurde, sie erreichte im Sommer 1981 noch Platz 51 der deutschen Charts. In dem Lied der A-Seite erzählt Udo - nach einem weiteren Text von IRMA HOLDER - von der Begegnung mit einem Mädchen in Moskau, wo er "nur sie und sonst nichts in dieser fremden Stadt“ gesehen hat. Übrigens - bekanntlich war UDO JÜRGENS mit dem französischen Textdichter GILBERT BECAUD befreundet. Dessen großer Hit "Natalie" weist inhaltlich große Parallelen zu "Ich sah nur sie" auf: Im winterlichen Moskau verliebt sich der französische Ich-Erzähler im winterlichen Moskau in eine Stadtführerin Namens Nathalie. Trotz des kommerziellen Erfolgs hat UDO den Song so gut wie nie live gesungen - vielleicht wegen der hohen Töne im Lied. Russische Elemente hatte UDO zuvor schon bei Liedern wie "Do Swidanja" und "Anuschka" gebracht. Passend zum Thema ist die Musik mit russisch-folkloristischen Balalaikaklängen untermalt und geht, so der damalige Pressetext, „mit ihrer Melancholie in Herz und Ohr“. Kurios: Das Lied, obwohl ein relativer Charterfolg, ist nie auf einer der vielen offiziellen Best-Of-Compilations erschienen, lediglich bei Sonderauflagen wie "Readers Digest", "Time Life" oder "Shop24" zu finden.
Die B-Seite "Schenk mir noch eine Stunde" wurde von WOLFGANG HOFER getextet und kommt sehr beschwingt daher. Dieses Lied hat Udo live oft ins Programm aufgenommen, da konnte das Orchester PEPE LIENHARD zeigen, dass es ziemlich gut swingen kann.
Der Titel wurde im Jahr 2000 von Udo nochmal in modernem Sound aufgenommen und auf dem Album „Mit 66 Jahren (Was wichtig ist...)“ veröffentlicht, wobei die ursprüngliche Version meines Erachtens die deutliche Bessere ist. Eine tolle Live-Version findet man auf „Open Air Symphony“ von 1992 mit einer fabelhaften Step Dance-Einlage von BILLY TODZO, dem Percussionist von PEPE LIENHARD. Er war auch Udos Assistent, Fahrer, sein Freund und sein Begleiter beim Spaziergang in Gottlieben am Bodensee an diesem düsteren 21. Dezembertag im Jahr 2014.
Die Aufnahmen zu dem Album begannen in der Konzertpause der Tournee „Udo 80“ im Sommer 1980 und das Platten-Inlay zählt nicht weniger als 33 Musiker auf inkl. der Streicher der Deutschen Oper Berlin, die für Udo immer wieder ins Studio gekommen sind. Es wurde also ein ziemlicher Aufwand für das Album betrieben und sicher nicht an Kosten gespart und ich finde, das hört man.
Das ganze Album hat einen tollen und abwechslungsreichen Sound und zeigt eine enorme Vielfalt und Kreativität. Gemischt wurde es schließlich im Januar 1981 von MICHAEL ZIMMERLING in den Berliner Hansa Studios, die Portraitaufnahmen für das Plattencover und die Singles stammen von Udos Bruder, dem Fotografen und Maler MANFRED BOCKELMANN.
Im September 1997 wurde das Album im Zuge der digitalen Wiederveröffentlichung älterer Alben als CD herausgebracht und ist heute natürlich zum Download und Stream erhältlich.
Weniger bekannt, aber absolut hörenswert sind „Okay“, das Lied einer Trennung (Anstoß war seine eigene Trennung von NINA VIERECK, als er mit seiner späteren Frau CORINNA REINHOLD zusammenkam) mit der Hoffnung, dass man mit Achtung und als Freunde auseinandergehen mag, ohne Streit und Verletzungen sowie „Auf der Suche nach mir selbst“, welches wohl sehr autobiographisch und ehrlich geraten ist und nur auf diesem Album zu finden ist.
Und „Atlantis“ ist ein Lied, welches die Hoffnung an eine bessere Gesellschaft zum Thema hat, die in Freiheit lebt, wo alle Menschen gleich sind und Geld nicht bedeutend ist, wo Frieden und Gemeinsamkeit über allem stehen - ein Lieblingsthema von Udo. Wie weit sind wir noch heute von dieser Utopie entfernt... - Auch dieses Lied wurde auf keinem weiteren Udo-Album verkoppelt.
Wohl eher ein "Füll-Stück" ist der Song "Kairo bei Nacht". Positiv daran ist vielleicht zu vermerken, dass UDO JÜRGENS hier mal orientalische Klänge in seine Musik hat einfließen lassen - das kannten wir sonst nur von wenigen seiner Lieder wie z. B. "Die Stadt in der Sonne". Insgesamt fällt das Lied qualitativ aber hinter den sonst wirklich starken Nummern des Albums ab. Immer mal wieder hat UDO JÜRGENS Loblieder an die Musik geschrieben ("Musik war meine erste Liebe", "Musik, Musik", "Die Welt braucht Lieder" usw.) - ein schönes Beispiel ist der von OLIVER SPIECKER getextete Song "Was wär diese Welt ohne Lieder?", den UDO JÜRGENS bereits bei seiner Live-Tour "Meine Lieder sind wie Hände" zu Gehör brachte. Auch dieses Kleinod aus UDOs Schaffen geriet danach zu Unrecht leider ziemlich in Vergessenheit.
Das Album "Willkommen in meinem Leben" hat dem renommierten TV-Regisseur TRUCK BRANSS so gut gefallen, dass er um das Album von UDO JÜRGENS herum einen Fernsehfilm an den schönsten Plätzen in der Umgebung von Zürich drehte. Die "Tele-Film Saar" hat dazu eine Woche zehn Titel des Albums filmisch umgesetzt. Am 6. Oktober 1981 wurde das "Portrait in Musik" ausgestrahlt.
UDOs Meinung zur Gesamtkonzeption des Albums:
Zu "Willkommen in meinem Leben" äußerte sich UDO JÜRGENS wie folgt und trifft damit wohl die Stimmung des Albums: "Ich glaube daran, dass der Optimismus im Kommen ist. Weltschmerz gibt es in den Nachrichten genug. Ich meine, dass man ruhig kritische Gedanken äußern kann. Aber es muss ja nicht gleich Hoffnungslosigkeit sein".
Text: Daniel Speck
erschienen am 6.4.2021 auf Schlagerprofis.de