Ein Silberstreifen am Horizont zu sehen, das bedeutet Hoffnung zu haben. Hoffnung, dass sich Besserungen einstellen, man sieht „Licht am Ende des Tunnels“. Und Hoffnung ist auch das Thema von Udo Jürgens Album aus dem Jahr 1982 - es feiert also in diesen Tagen sein 40stes Jubiläum!
Viele Menschen blickten Anfang der 1980er Jahre sorgenvoll auf die Entwicklungen in der Welt. Der kalte Krieg war geprägt durch ein atomares Wettrüsten in Ost und West, jederzeit konnte es zu einer globalen Auseinandersetzung kommen, die das Ende der Menschheit bedeutet hätte. Spannungen im Nahen Osten steigerten sich, Terror und Hass brodelten. Dazu wuchs ein Bewusstsein für die Auswirkungen des Menschen auf die Umwelt und die Zerstörung der Natur, der dringend Einhalt zu gebieten war. Dies alles beschäftigte natürlich auch Udo Jürgens, der die Hoffnung auf eine friedlichere und bessere Welt nicht aufgeben wollte. Der Titel seines Albums war dann auch schlicht und einfach „Silberstreifen“. Die Plattenfirma Ariola schrieb damals im Pressetext „Udo Jürgens hat zehn Lieder geschrieben, zehn Lieder, die zwar das Schlechte, das Häßliche, das Böse in unserer Welt nicht beschönigen, die aber auch das Gute, das Schöne, das Liebe und die daraus entstehende Hoffnung auf eine bessere Welt verkünden.“
Und so nahm Udo Jürgens von November 1981 bis Februar ’82 sein neues Album in dem legendären Münchener Musicland Studio auf, in dem sich damals das Who-is-Who der internationalen Musikszene die Klinke in die Hand gegeben hat, von Led Zeppelin über Elton John, Freddy Mercury und Falco bis zu Deep Purple, Donna Summer, Queen und den Rolling Stones. Produzent war wieder Harold Faltermeier, der zuvor mit Udo in Los Angeles das englischsprachige Album „Leave a little love“ produziert hatte - Udos „amerikanischen Traum“. Unter den Musikern im Studio war am Saxophon auch Pepe Lienhard, der dann mit seiner Big Band zur festen Begleitung auf allen Tourneen von Udo wurde.
Es entstand ein großartiges und heute zu Unrecht wenig bekanntes Album, für das Udo Jürgens 1983 im dritten Jahr in Folge den Deutschen Schallplattenpreis, den Preis der Deutschen Schallplattenkritik bekam. Beim Publikum kam das Album damals aber etwas weniger gut an, es erreichte nur den 39. Platz der deutschen Charts und in Österreich konnte es sich überhaupt nicht platzieren. Im Rückblick ist dies doch recht unverständlich, denn auf dem Album sind sehr viele schöne und bei den Fans beliebte Lieder enthalten - darunter der Höhepunkt vieler Konzerte und Namensgeber des Erfolgsmusicals „Ich war noch niemals in New York“. Dass dieses Lied einmal solche Beliebtheit erlangen würde, war wohl auch Udo und seiner Plattenfirma nicht klar, denn das heutige Kult-Lied wurde damals nur als B-Seite einer Single veröffentlicht. Diese war auch keine Auskoppelung aus dem Album, sondern sie wurde im Vorfeld seiner Tournee „Lust am Leben“ im Herbst 1982 auf den Markt gebracht.
Als Vorbote des Albums „Silberstreifen“ wurde stattdessen der ironische Seitenhieb auf das Fernsehen veröffentlicht, das Lied „Die Glotze (...und das alles in Farbe)“. Es kommt im Synthie-Sound daher und Udo, der selbst unzählige Male im Fernsehen aufgetreten ist, singt mit einem Augenzwinkern "Die Glotze ist doch das Größte". Er präsentierte die Single in der ZDF Sendung Show-Express am 25. März 1982. Auf der B-Seite war das melancholische Liebeslied „Engel am Morgen“. Sie erreichte Ende April 1982 in den deutschen Charts nur Platz 60.
Sogar nur Platz 66 erreichte im Juni/Juli dann die zweite Auskoppelung aus dem Album. Dies ist doch etwas unverständlich, denn mit „5 Minuten vor zwölf“ ist Udo Jürgens ein Lied gelungen, welches mit einem sehr starken Text von Michael Kunze eindrucksvoll die Top-Themen Umweltzerstörung und Zukunftsängste aufgreift. Es hat einen direkten Bezug auf ein damaliges Ereignis, nämlich den Bau der Startbahn-West des Frankfurter Flughafens, bei dem es Ende 1981 zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Umweltschützern und der Polizei kam („Und ich sah einen Wald, wo man jetzt einen Flugplatz baut...“). Dieses Ereignis, aber auch den sauren Regen, das Einzäunen der Freiheit, Ölkatastrophen, das Zubetonieren der Städte und die Einsamkeit von Menschen in einer kalten Gesellschaft thematisieren Udo und sein Texter. Und der Text ist leider heute noch genauso aktuell, wie damals:
Ich sah Haß in den Augen, blind wütenden Glauben,
Sah die Liebe erfrieren, sah die Sieger verlieren,
Sah Bomben und Mienen, sah Schieber verdienen,
Sah Klugschwätzer reden, und Fanatiker töten.
Doch ich sah auch die Angst, die so viele zur Einsicht bringt,
Jemand sagte zu mir, daß die Zukunft grad jetzt beginnt,
Und ich sah auf die Uhr, 5 Minuten vor 12.
-weiter in Teil 2-