Musikalische Stunde einer Demut
Man hat es oder man es nicht, das Gewisse etwas, das man braucht, um auf der Weltbühne so lange Zeit zu bestehen. Udo Jürgen Bockelmann, dessen 80. Geburtstag mit Sondersendungen, Fernsehfilmen und unzähligen Medienberichten unlängst europaweit begangen wurde, hat es.
Auf dem schmalen Grat zwischen Schlager und Chanson wissen eben nicht viele Künstler deutscher Zunge sicher zu wandeln. Einer der darauf auch im Lackschuh sehr trittsicher ist, weiß seit fünf Jahrzehnten als Udo Jürgens eine weltweite Fangemeinde hinter sich. Warum finden sich in den neonkalten Fluren der SAP Arena Besucher zwischen 25 und 95? Die einen kennen ihn ihr halbes Leben, die anderen sind mit ihm groß geworden, haben im Kindergartenalter "Aber bitte mit Sahne" geträllert, später bei 70er-Schlager Partys "Griechischer Wein" gegrölt. Die Älteren haben sich mit seinen sozialkritischen Schlagern an Nachkriegspiefigkeit und spießbürgerlicher Doppelmoral gerieben.
Und mal ehrlich, bei dem Herzenswunsch "Ich wünsch' dir Liebe ohne Leiden" spielt das Alter ohnehin keine Rolle. Wir scheinen den "Mann, der Udo Jürgens ist" zu kennen, seine Wege und Abwege, seine Affären. Geschenkt bekam der elegante junge Mann aus bestem Hause nichts, brauchte mehrere Anläufe, bis sich ihm mit dem Grand-Prix-Sieg "Merci Chérie" 1966 die große Karriere auftat.
Alternative zu Sinatra
Entwaffnend und sympathisch ist die Ehrlichkeit, die seinen Weg begleitet. In seinen großen traurigen Rückblicken wie "Ich würde es wieder tun" - unbestritten die erste ernstzunehmende deutsche Alternative zu Sinatras "My Way" - und "Zehn nach elf" funktioniert die emotionale Hörerbeteiligung auch über die Kenntnis seiner Biografie. Und natürlich über das hohe Niveau seines musikalischen Begleiters Pepe Lienhard und dessen internationalen Orchestersolisten.
Dass der bisher stets fitte und alterslose Udo mit 80 zu Beginn "die Stunde einer Demut" ankündigt, zeigt, dass sein Tourneetitel "Mitten im Leben" wohlüberlegt ist. Und ja, "Uns Udo" ist älter geworden, ein leichtes Nuscheln macht sich anfangs bemerkbar, allerdings nur beim Sprechen. Und doch ist er beneidenswert präsent und musikalisch weiterhin in Form.
Den ersten Teil des (inklusive Pause) gut dreistündigen Konzerts lässt er etwas ruhiger angehen als gewohnt. Mit süffigen Streichern und poetischer Sprache begeistern da vor allem seine großen, gefühligen Hymnen wie "Was ich gerne wär' für dich", "Das Leben bist du" oder "Der gekaufte Drachen".
Nahezu besinnlich und vielleicht eine Spur zu überbetont lebensweise sind seine Zwischenmoderationen, die freilich immer - wie auch seine Lieder - etwas zu sagen haben. In die Pause entlässt er seine Fans mit der (einst mit den Berliner Philharmonikern unter Herbert von Karajan eingespielten) Symphonischen Dichtung "Die Krone der Schöpfung". Zu allem, was nicht mit Bosheit, Gier und Gewalt zu tun hat, singt er allerdings weiter gerne "Ich bin dafür".
Launiger zeigt sich der Liedermacher, Chansonnier und Schlagersänger im zweiten Teil, in dem auch die Fans seiner großen sozialkritischen Kultschlager auf ihre Kosten kommen: "Ein ehrenwertes Haus", "Ich war noch niemals in New York" und natürlich "Aber bitte mit Sahne". Zügig steht die Arena bis in höchste Ränge. Mit dem Orchester Pepe Lienhard wird das "Uns Udo"-Konzert wie selbstverständlich zur musikalischen Weltreise, die sich per Videoleinwand zum Auftakt angekündigt hatte: Geigenklang, großes Schlager-Medley, amerikanischer Bigband-Sound, afrikanische Trommeleinlagen, Schlagzeugfeuerwerk des Mannheimers Peter Lübke - und ein gesunder Foxtrott zum Mitklatschen: So hört sich gepflegte Unterhaltung durch einen Gentleman an, der singt, spielt und denkt - und sich dabei seines Alters wie seiner Erfahrungen bewusst ist: "Achte auf deine Lieder". Er tut es - und zieht das Gastarbeiterlied "Griechischer Wein" mit einer neuen Interpretation aus dem Partylärm pianissimo in den Bereich des kritischen Chansons. Ein nachdenklicher Udo, aber einer der "mitten im Leben" und bei uns steht. Das beweist der Applaus.
Das sang Udo in Mannheim:
Erster Teil: "Die Welt braucht Lieder", "Alles aus Liebe", "Was ich gerne wär' für dich", "Das Leben bist du", "Der gekaufte Drachen", "Der gläserne Mensch", "Ich will, ich kann", "Ich bin dafür", "Die Sonne und Du", "Jeder so, wie er mag", "Die Krone der Schöpfung".
Zweiter Teil: "Hautnah", "Ich würde es wieder tun", "Der Mann ist das Problem", "Tausend Jahre sind ein Tag", "Ich war noch niemals in New York", "Griechischer Wein", Medley ("Ein ehrenwertes Haus, "Aber bitte mit Sahne", "Mit 66 Jahren"), "Mitten im Leben", "Immer wieder geht die Sonne auf", "Mein Ziel".
Zugaben: "Cottonfields", "17 Jahr, blondes Haar", "Liebe ohne Leiden", "Zehn nach elf".
Quelle: morgenweb.de