In Udo Jürgens' Musik und speziell auf seiner neuen CD "Jetzt oder nie" vereinen sich zwei Dinge:
Auf der einen Seite die Lebenserfahrung eines 71-jährigen, der in seinem Leben als Musiker wohl Dinge in einer Intensivität erlebt hat, wie sie nur wenigen Künstlern zuteil wird, und die im Laufe der vielen Jahre gereifte Persönlichkeit, die seine Musik absolut überzeugend macht. Während manche Künstler mit zunehmendem Alter immer unwirklicher und unglaubhafter werden, wird Udos Musik immer persönlicher und ehrlicher. Die Selbstsicherheit, mit der er in seiner Liedern in das Gemüt seiner Hörer eindringt und Gedanken und Gefühle anstößt, mag vielleicht der Grund sein für den andauernden Erfolg des Musikers Udo Jürgens.
Und auf der anderen Seite die jugendliche Verspieltheit und Unbekümmertheit, die Udo Jürgens sich im Lauf der Jahre bewahrt hat. Freche Inhalte, Spiel mit Klischees und Ironie, aber auch ehrliche Engeständnisse in seinen Texten sowie frische Vorspiele, liebenswerte, augenzwinkernde Harmonien, geschickte Tonartwechsel und stürmische Instrumentalsoli in seiner Musik kennzeichnen diese liebevolle, verspielte Art, mit der Udo seine Lieder produziert. Kein bißchen bühnenmüde ist er, ganz im Gegenteil, er scheint sein Musikerleben noch viel emotionaler zu genießen denn je und so versetzt uns die neue CD "Jetzt oder nie" in Vorfreude auf die kommende Tournee.
Nach einem zeitkritischen Album "Ich werde da sein" (mit der leider noch nicht live aufgeführten 16-Minuten-Komposition "Die Krone der Schöpfung", aufgenommen zusammen mit den Berliner Philharmonikern) und einem fetzigen Partyalbum "Es lebe das Laster" (hier hätte man mal wieder einen Chart-Hit erreichen können) präsentiert uns Udo Jürgens mit "Jetzt oder nie"
ein ganz persönliches Album mit Liedern, die ihm wohl aus der Seele sprechen.
Das Klanggewand ist modern, ohne Einsatz von Drumcomputer und Keyboardeffekten wird wohl kein Album mehr produziert. Mögen auch manche die heutige Musik zu synthetisch finden und den direkteren Klang der Aufnahmen der Ender der 70er Jahre, Anfang der 80er vermissen, mir gefällt der Sound der neuen CD. Wenn ich daran denke, wie auf dem letzten Album hitverdächtige Songs wie "Weichei", "Es lebe das Laster" oder "Solang mich deine Liebe trägt" durch Drumcomputer, Backgroundchöre mit dünnen Frauenstimmchen und Keyboardeffekten in einen Weichspülsound versetzt wurden - man vergliche mal die Studioversionen mit den Liveversionen -, bin ich mit der Entwicklung des Sounds auf der neuen CD sehr zufrieden. Besonders gut gefallen mir die zahlreichen Instrumentalstellen von Streichern, Gitarren, Saxophonen, Flügelhorn und Fagott.
Das Album beginnt gleich mit vier seiner besten Lieder.
Das Titellied "Jetzt oder nie" ist zwar vom Tempo her nicht so schnell, kommt aber recht fetzig daher und integiert Elemente der Big-Band in ein Lied, das an in den Strophen sich gar nicht so jazzig ist. Zum Ende hört man ein tolles Tenorsaxohponsolo.
"Bis ans Ende meiner Lieder" hat mich schon bei den Solo-Konzerten mitgerissen. Bleibt zu hoffen, daß Francis Coletta auch bei der kommenden Tournee dabei ist.
Der Text von "Frauen" wird bereit heftig diskutiert, worüber Udo Jürgens insgeheim bestimmt schmunzelt. Ich denke, Udo Jürgens spielt in solchen Liedern absichtlich mit dem Text, um nicht klar werden zu lassen, wie sich die Mischung aus eigener Überzeugung und bewußt eingesetzter Ironie zusammensetzt. Das Lied ist das einzige "hit-verdächtige" auf der CD. In dieser Hinsicht kann das Album natürlich nicht mit dem vorhergehenden Album mit Liedern wie "Es lebe das Laster", "Schöne Grüße aus der Hölle" und "Weichei" mithalten.
In meinen Augen das schönste Lied der CD ist "In allen Dingen lebt ein Lied", vielleicht weil es nicht so plakativ ist, sondern eher eines der kleineren Lieder ist und trotzem jede Menge Substanz in sich hat. Es soll ja auch das Lied sein, von dem sich Udo beim ersten Anhören der eigenen CD am berührtesten gefühlt hat.
Mit "Flieg mit mir", "Nicht heute Nacht" und "Das Leben gewinnt" sind drei Lieder auf der CD, die etwas schlagermäßig und flach daherkommen. Hier kommen auch leider wieder die von mir nicht so geliebten Background-Frauenchöre. Aber auch diese Lieder haben schöne Details: Z.B. die Sopran- und Tenorsaxophonsoli in beden Liedern sowie der Udo-Jürgens-typische Harmoniewechsel am Schluß von "Flieg mit mir".
Das "Glück des Augenblicks" ist ein schönes ruhiges Lied. Irgendwie klingt es mir manchmal durch die Glöckchen und die Führung der Streicher aber zuviel nach Weihnachten. Traumhaft hingegen wieder das Violonsolo.
Das zweite schnelle Lied "Verdammt in alle Einsamkeit" steht nach Udos eigener Aussage in der Tradition von "Ich weiß, was ich will". Sowohl vom kräftigen Discosound, als auch vom Ablauf des Lieds ist die Ähnlichkeit unüberhörbar. Bereits 1999 gab es mit "Tausend Jahre Glück" schon den Versuch, den Stil dieses Lieds aufleben zu lassen, dieses Lied blieb aber recht unbeachtet. "Verdammt in alle Einsamkeit" hat das Potential, daß es diesesmal anders läuft.
Ein solch selbstkritisches Lied wie "Mein Weg zu mir" hat man wohl noch nicht von einem Musiker gehört. Ist die Musik auch nicht so spektakulär, der Text macht dieses Lied zu etwas Besonderem. Eine Stelle finde ich allerdings total merkwürdig, das ist der Bläsereinsatz bei 2:54, der ein bißchen an seichtere Lieder wie "Zeig mir den Platz an der Sonne" erinnert.
Klassische Elemente prägen das Lied mit dem ungewöhnlichen Titel "Daß ich dich liebe, was geht es dich an". Die Streicherstimmen erinnern ein bißchen an "Beziehungsweise"
Eines der schönsten Lieder auf der CD ist das Lied "Der Mann mit dem Fagott", was wohl Titellied werden soll zur Verfilmung von Udos gleichnamigem Buch. Nach einer schönen Einleitung führt ein Tonartwechsel in eine Musik, in der Geschichtenerzähler Udo Jürgens die Nostalgie zum Leben erweckt, die der Geschichte seines Großvaters innewohnt. Schade ist ein bißchen, daß das Fagott (immerhin der Solo-Fagottist der Berliner Philharmoniker) im Refrain etwas von den Streichern zugedeckt wird.
Es folgen auf der CD zwei etwas schnulzige Lieder. "Auch kleine Kreise ziehen große Kreise" klingt etwas synthetisch durch Drumcomputer und die Keyboard-Klangflächen, aber immer wenn Thorsten Maaß mit seinem verträumten Flügelhorn einsetzt, ist dies vergessen. Auch im zweiten Lied "Die Sehnsucht bleibt" stört etwas der Drumcomputer, schön ist das Solo auf der akustischen Gitarre.
Auch das Schlußlied der CD "Danke" ist etwas schnulzig und kann es eigentlich nicht mit den Schlußliedern der letzten Jahre wie etwa "Ich laß euch alles da" oder "Da Capo" aufnehmen.
Insgesamt ist die neue CD sehr ruhig geworden. Vom Klang her ist sie sehr
gelungen, deutlich besser als die letzten CDs. Von den Liedern her waren die letzten beiden Alben "Ich werde da sein" und "Es lebe das Laster" vielleicht noch stärker. Trotzdem ist die CD sehr interessant geworden. Sie hat ihren eigenen Charakter und eigenen Reiz und mach vor allem Lust auf die kommende Tournee. Eine Schwierigkeiten beim Bewerten von neuen Udo Jürgens CDs ist, daß Udo im Laufe der vielen Jahre und speziell in den letzten 10 Jahren schon so viele tolle Lieder geschrieben hat und so vergleicht man jeden lustigen Text mit "Weichei", jedes fetzige Lied mit "Schöne Grüße aus der Hölle", jede Ballade mit "Was wichtig ist" usw.
Etwas enttäuscht war ich davon, wie die Möglichekeiten der Dual Disc ausgenutzt wurden. Ich hatte gehofft, daß mehr als nur drei Lieder vom Solo-Konzert zu sehen und hören sein würden. Und die nachgestellten Video-Aufnahmen aus dem Tonstudio hauen mich auch nicht vom Hocker. Das Interview mit Udo ist dagegen gewohnt gut.
Für die neue Tournee wünsche ich mir von diesem Album die Lieder
- Jetzt oder nie
- Bis ans Ende meiner Lieder
- Frauen
- In allen Dingen lebt ein Lied
- Verdammt in alle Einsamkeit
- Mein Weg zu mir
- Der Mann mit dem Fagott
- Danke
Weitere Rezensionen von Udo-Jürgens-CDs gibt es auf meiner Homepage:
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