Hi,
hier eine kleine Jürgens-Biographie aus dem Jahre 1963, welche in Nummer 2 der damals sehr beliebten Zeitschrift FILM-REVUE vom 15.01.1963 unter der Rubrik "Wir machen Musik" erschien:
>>Bereits im zarten Alter von zehn Monaten krähte Udo Jürgens - das ist verbürgt - die ersten Kinderlieder. Mit diesem so frühzeitig offenbarten Gesangstalent zog er später in Europa und Übersee kreuz und quer durch die Lande. Heute ist er nicht nur ein vielversprechender Schlagerstar, sondern auch ein sehr begabter Komponist.
Viele seiner Fans meinen, ihr Udo müsse auf der Rangliste deutscher Gesangskanonen eigentlich viel weiter oben stehen. Auch Fachleute der Musikbranche zerbrechen sich vergeblich den Kopf, warum der begabte Österreicher noch keinen wirklich durchschlagenden Erfolg im Plattengeschäft erzielen konnte. Zwar hat Udo Jürgens mit einigen seiner Nummern - vor allem im Ausland - schon beachtliche Verkaufsziffern erzielen können und hat sich auch bei uns einen weiten Verehrerkreis geschaffen, doch jene Woge der Publikumsgunst, die ihre Lieblinge sonst in einsame Höhen trägt, ist bisher leider ausgeblieben. Vielleicht sollte die launische Glücksgöttin Fortuna hier einmal ein energisches Wörtchen mitreden. Udo selbst wird über fehlenden Lorbeer - den er längst verdient hat - nicht den Kopf hängen lassen. Dazu liebt er seinen Beruf viel zu sehr. Außerdem weiß er, was er kann.
Woher seine künstlerische Begabung allerdings stammt, vermag er nicht zu sagen. Der Herr Papa ist Landwirt, der ältere Bruder, John, Kaufmann, der jüngere, Manfred, studiert Werbegrafik. Ein Onkel, Werner Bockelmann, fungiert sogar als Oberbürgermeister von Frankfurt (Main). Lauter höchst ehrbare Berufe also - die Udo jedoch nicht davon abhalten konnten, seine Schritte in eine ganz andere Richtung zu lenken. Schließlich hatte er diese Neigung mit gekrähten Kinderliedern bereits deutlich genug demonstriert. Mit fünf bekam Udo - der als Udo Jürgen Bockelmann am 30. September 1937 in Klagenfurt geboren wurde - sein erstes Musikinstrument: eine Mundharmonika. Schon zehn Minuten später fiel er seiner Familie mit dem Lied "Die blauen Dragoner, sie reiten" recht ausgiebig auf die Nerven. Die deutschen Kriegsgefangenen dagegen, denen der Achtjährige 1945 im Camp Prasdorf bei Kiel die Langeweile vertrieb, geizten nicht mit Applaus, obwohl auf der Bühne nur ein riesiges Akkordeon und zwei Beine zu sehen waren.
Die ersten Erfolge
Sieben Jahre später, auf dem Kärntner Landeskonservatorium, wurde es endgültig ernst. Udo belegte als Hauptfächer Klavier, Gesang und Komposition. Glücklicherweise nahm die ganze "Paukerei" nicht so viele Stunden in Anspruch, daß Udo auf viele liebe Freizeitgewohnheiten hätte verzichten müssen. Im Gegenteil: Er beteiligte sich - zusammen mit dreihundert erfahrenen Profis - an einem österreichischen Komponistenwettbewerb und wurde Dritter. Viele in Ehren ergraute Musiker staunten nicht schlecht, als bei der Preisverteilung ein Sechzehnjähriger zur Bühne marschierte. Wenig später gewann Udo auf einem Sängerwettstreit sogar den Ersten Preis und zog mit seiner aus Mitschülern formierten Band ans Radio Klagenfurt, das sich lebhaft für den Tausendsasa interessierte. Bald schon schrieb er Arrangements und Kompositionen für das Radio-Tanzorchester, leitete die Aufnahmen, spielte Klavier, Vibraphon oder Akkordeon und sang, wenn es etwas zu singen gab. So "ganz nebenbei" bestritt Udo Jürgens mit seinen Mannen eine allwöchentliche Radioshow am britischen Militärsender BFN. Obwohl Udo gern zugibt, daß er in dieser Zeit viel gelernt hat, dürstete ihn nach größeren Taten.
Der Kärntner Provinzling nahm sich also ein Herz, schickte einige seiner besten Nummern an den Bandleader Werner Müller am RIAS Berlin und harrte der Dinge, die da kommen sollten. O Wunder - sie kamen. Udo wurde eingeladen. Mit zitternden Knien ließ sich der blutjunge Debütant von dem berühmten Orchester begleiten und sang mit wachsender Sicherheit seine Schöpfungen, bis ihm jemand zufrieden auf die Schulter klopfte und den langersehnten Vertrag mit einer Plattenfirma in die Hand drückte. Damit hatte Jürgens zwar im Schlagergeschäft schon etwas Fuß gefaßt - aber von den Nummern, die er dann singen mußte, hält er heute nicht mehr viel. Da nur eine einzige - "Hejo, hejo, Gin und Rum" - wirklich einschlug, riß dem Karriereanwärter der Geduldsfaden. Er fuhr nach Amerika und schaute sich ein knapppes halbes Jahr gründlich im Land um. Wenn auch außer einigen Engagements in Jazzklubs und beim Radio kein Blumentopf in Form eines langfristigen Vertrages für ihn zu gewinnen war, so profitierte Udo doch recht ausgiebig von seinen musikalischen Erlebnissen im Land der tausend Möglichkeiten.
Das greifbare Ergebnis seiner Amerikareise schließlich hieß "Jenny" und war kein Mädchen, sondern ein reizender Schlager, der von einheimischen Produzenten zunächst mit der Begründung "zu anspruchsvoll" abgelehnt wurde. Erst als Udo Jürgens seine "Jenny" 1960 auf dem Europäischen Schlagerfestival in Knokke vortrug und der deutschen Mannschaft damit den Ersten Preis sicherte, erst als belgische und französische Fans vergeblich nach einer Platte fragten, wurden endlich eine deutsche und eine englische Fassung aufgenommen. Auch dann noch lief der Schlager im Ausland mit weit besseren Einspielergebnissen. Zur Zeit existieren dort rund zwanzig verschiedene Fassungen.
Dieser Erfolg ermutigte Udo, weiter zu komponieren. Seine nächste Nummer, "Reach for the stars", wurde in England, mit 500 000 verkauften Platten, und in Frankreich, von Camillo Felgen gesungen, ein Riesenerfolg. Es ist kaum bekannt, daß Udo auch bei vielen deutschen Filmen kräftig Lieder und Texte geschrieben hat, so zum Beispiel für Gus Backus und sich das Duett "I want to dance" in "Und du, mein Schatz, bleibst hier", sowie alle Songs von Gerhard Wendland, Rex Gildo und Kurt Großkurth und sich selbst in "Tanze mit mir in den Morgen".
Immer auf der Achse
Zu Udos großem Bedauern erscheinen nur wenige seiner Lieder auf einer Schallplatte. Deshalb hat er sich entschlossen, selbst unter die Produzenten zu gehen - ein beachtlicher Alleingang für den 25jährigen. Die Jürgens-Kompositionen "Die goldenen Jahre" und "Das kann auch dir geschehen" erscheinen bei Philips; ihr Schöpfer drückt alle Daumen, daß sie beim Publikum auch richtig "ankommen". Bis dahin reist Udo von einem Winkel Europas in den anderen, um Spiel- und Fernsehfilme zu drehen. Hier ruft Davos mit den "Tollen Nichten", dort Baden-Baden mit dem Musical "Annelie-Annelou", zwischendurch laufen zahllose Tourneen in Österreich und Deutschland. Über einen Mangel an Arbeit kann der junge Sänger also nicht klagen. Einige Wünsche bleiben natürlich immer offen: eine gute Rolle in einem nicht minder guten Musikfilm oder - schon etwas höher gegriffen - eine "Goldene Schallplatte" und - sein ganz großer Wunsch - eine eigene Fernsehshow. FILM-REVUE jedenfalls hofft, daß für Udo im neuen Jahr zumindest einer dieser Träume in Erfüllung geht. Er hätte es wirklich verdient.<<
Anmerkung:
Mit dieser Biographie dürfte jene "konstruierte" Geschichte des 50er Jahre Komponisten-Wettbewerbs also endgültig widerlegt sein. Es handelte sich eindeutig um ZWEI Wettbewerbe, und "Je t'aime" wurde von Udo GESUNGEN.
Ein weiterer erstaunlicher Punkt ist die Tatsache, daß Udo sich zu dieser Zeit also noch keineswegs nur auf's Komponieren verlegen, sondern vielmehr sein eigener Produzent werden wollte!
Zumindest ist dabei die Veröffentlichung seiner ersten nicht bei Heliodor/Polydor produzierten Single "Das kann auch Dir geschehn / Das sind unsere goldnen Jahre" herausgekommen, wenn auch nicht wie ursprünglich geplant bei Philips, sondern bei Elite Special / Austroton.
Die einzige Fehlinformation, die auch diese Biographie enthält und die also nicht Beierlein und seinem Management anzukreiden ist, ist der tatsächliche Geburtsname von Udo Jürgens: Nicht Udo Jürgen Bockelmann, sondern Jürgen Udo Bockelmann. Es liegt also die Vermutung nahe, daß diese Version von Udo Jürgens selbst stammt - wahrscheinlich deshalb, um die Künstlernamen "Udo Bolan" und "Udo Jürgens" besser zu rechtfertigen.
MfG,
Thomas2