Keine Scheu vor großen Gefühlen
VON ULLA JÜRGENSONN, 26.06.07, 07:13h
Udo Jürgens
Erftstadt-Gymnich - Die Fans mussten lange warten. Nicht auf den Star, der erschien pünktlich auf die Minute. Sondern auf die Lieder, die sie eigentlich hören wollten. Die gab es zum größten Teil erst zum Schluss des Konzertes, als die Zuhörer gerade unter Pavillons, Regenschirmen oder Bäumen Schutz vor dem Regen gesucht hatten. Und auch da gönnte Udo Jürgens dem Publikum nur Häppchen seiner Hits.
Dass das Open-Air-Konzert im Park von Schloss Gymnich trotzdem ein netter Abend wurde, lag an mehreren Faktoren. Zum einen daran, dass Jürgens eben ein absolut professioneller Entertainer ist - auch wenn er nicht in Topform schien. Zum anderen an der wunderschönen Kulisse des Schlosses im Hintergrund und der mächtigen, uralten Bäume, die die Bühne umrahmten. Zum Schluss des Konzertes wurden sie in wechselnden Farben angestrahlt und schimmerten mal blau, mal golden. Und an der Begeisterung der Fans, denen ein paar Takte der alten Hits genügten, um in Beifallsstürme auszubrechen und im Zweifelsfall einfach selber zu singen.
Das Wetter meinte es eigentlich noch gut mit Publikum und Veranstaltern. Anfangs war es so warm, dass man schon beim Klatschen ins Schwitzen geriet. Der Regen setzte erst gegen Ende ein und war eher ein ausgedehnter Schauer denn ein veritabler Wolkenbruch. Sonst hätte es ernsthafte Probleme gegeben, denn der Großparkplatz, auf dem die meisten der Gäste ihre Autos abgestellt hatten, erwies sich als Acker, der sich im Handumdrehen in einen Sumpf verwandelt hätte. Und auch die Wiese vor dem Schloss, wo die Stuhlreihen aufgebaut waren, hätte noch mehr Wasser wohl kaum verkraftet.
Dass der Regenguss trotzdem ein ziemliches Stimmungstief auslöste, ist der wenig geglückten Dramaturgie des Abends zu verdanken. Im ersten Teil hatte Udo Jürgens kaum bekannte Stücke gespielt. Bis auf „Gaby wartet im Park“, das ihm auch schon die ersten Rosen von seinen weiblichen Fans einbrachte. Spätestens in der zweiten Halbzeit schlich sich eine gewisse Ungeduld ein. „Udo, spiel die alten Sachen, sonst geh ich nie wieder in ein Konzert von dir“, murrte eine Frau leise. Dabei lohnte es sich auch bei den weniger bekannten Songs hinzuhören. Denn die Texte sind alles andere als seicht, oft sind kleine, handlich verpackte Weisheiten darin. Manches, was Udo Jürgens singt, geht ans Herz, denn der Mann hat so wenig Scheu vor großen Gefühlen wie vor ganz alltäglichen Lebenssituationen. Aber so richtig Stimmung kommt dabei halt nicht auf. Und die hätte es dringend gebraucht - wer sitzt schon geduldig im Regen und hört sich ein nicht wirklich spannendes Lied, obendrein auf Englisch gesungen, an, wenn er eigentlich „Griechischer Wein“ oder „Mit 66 Jahren“ erwartet hat?
Als der Mann am Klavier - der mit Francis Coletta einen gigantisch guten Gitarristen an seiner Seite hatte - endlich richtig in die Tasten haute und die alten Ohrwürmer freiließ, tanzten selbst seriöse ältere Herrschaften vergnügt im Regen. Aber eben viel zu kurz. Dabei wäre es so einfach gewesen: Wenn Udo Jürgens eine Viertelstunde lang einfach „Ich war noch niemals in New York“ gesungen hätte, das Publikum hätte eine Viertelstunde lang mitgesungen, mitgeklatscht, mitgetanzt.
Stattdessen machte man sich auf den Heimweg, der sich als mühsam erwies: Fußgängerströme verstopften die Balkhausener Straße, so dass die Shuttlebusse erst mal nicht von der Stelle kamen. Und dann hieß es, auf dem nun doch ziemlich vermatschten, stockfinsteren Acker sein Auto suchen. Kein gelungenes Finale.