ENTERTAINMENT IM WOHNZIMMER
Udo Jürgens live: „Einfach ich“ in der Wiener Stadthalle, 24.2.2009
Es schien beinahe unvorstellbar: das unvergessliche Konzert drei Tage zuvor in der Münchner Olympiahalle noch „zu toppen“. Und doch „schaffte“ dies der Abend in der Wiener Stadthalle. Man bedenke dabei immer: Da geht jemand mit fast 75 Jahren auf große Tournee und legt Dreieinhalbstundenkonzerte hin, in denen man jede Sekunde spürt: Das ist sein Leben, dafür ist er auf der Welt, das will er, das kann er, das tut er, und er hat etwas zu sagen, mehr noch als er Hits hat, mit denen er natürlich auch die dreieinhalb Stunden füllen könnte, aber er hat seinem Publikum viel mehr zu bieten, er ist ein echter Vollblutmusiker mit Liedern mit Aussage, er ist Entertainer von allerhöchstem internationalem Format, und wenn er auf ein Publikum trifft wie in Wien, wo von Anfang an (Standing Ovation bei seinem Auftritt!) unglaublich viel zurückkommt, wo die Halle bereit ist, spontan und herzlich sofort darauf einzugehen, was der Künstler anbietet, ohne in aufdringliche, vordergründige Hysterie zu verfallen, sondern immer im Sinne der Kunst, die von der Bühne kommt, wenn eben alles stimmt, dann nimmt man noch mehr wahr, wie „ganz“ dieser Udo Jürgens Bühnenkünstler ist, wie er alles gibt, wie er dieses Konzert hinlegt, als wäre es das einzige auf der Welt, wie jeder Augenblick zählt, wie die Halle Weltklasse-Entertainment bei den Bigbandmomenten genauso spürt wie Wohnzimmeratmosphäre, wenn Udo zwischen den Liedern etwas erzählt. Udo erzählt in seiner Begrüßung vom Volksgarten, wo er mit Johannes Fehring musiziert hat, und er bringt wieder mal die Anekdote mit Joe Zawinuls Zitat aus der Adebar „Spiel was, aber sing dazu!“ – die Liedabfolge ist bis zur letzten Nummer mit Orchester genau gleich wie in München, und doch kann man jedes Lied völlig neu hören. Wie Udo bei der „Fehlbilanz“ den Ausdruck intensiviert mit der Zeile „So viele Lieder, die nichts sagen“, wie sich beim „Narrenschiff“ Klavier, Flügelhorn und Stimme zu einem wunderbaren Intermezzo finden, wie das Orchester bei „Die Schwalben fliegen hoch“ zuerst kammermusikalisch „singt“, dann im vollen Bigbandsound aufdreht, wie Udo jedem Solo nach Liedende die Würdigung des Menschen nachreicht, der diese Leistung immerhin auch jeden Tag für ein Publikum, das großteils das Programm zum ersten Mal hört und dem es herzlich egal ist, ob das schon 25mal gespielt wurde, bringt – unvergessliche Momente im großen Ganzen dieser Abende. Wer die Tourneen mit dem Orchester Pepe Lienhard seit 1982 mitverfolgt hat, stellt fest, dass außer dem großartigen, verlässlichen Schlagzeuger Peter Lübke, dem stets Lebensfreude auf die Bühne zaubernden, perkussionierenden, steppenden, singenden Billy Kudjoe und dem Orchesterleiter selbst viele fabelhafte, ihre ganz eigenen Klangfarben, ihre immense Musikalität einbringende neue Musiker dabei sind – und dabei sei nicht vergessen darauf, welch hervorragendes technisches Team im Hintergrund arbeitet, denn sowohl in Wien als auch in München war die Akustik sehr differenziert ausgesteuert. Statt Ypsilanti und Schwan in Deutschland haben in Österreich „Mörtel“ Lugner und „Pfarrer Wagner“ alles im Griff. Was den „Sturm“ zur Bühne betrifft, so zeigt sich Wien disziplinierter als München, er setzt erst zum Lied „Jetzt oder nie“ ein, und Udo kann sich damit begnügen, den Ordnern das Okay zu geben, dies sei in Ordnung, sie bräuchten nicht dagegen zu steuern. Was für grandiose Konzertaugenblicke, wenn wir abheben nach New York, mit der Videowand im Bühnenhintergrund, auf der man sonst fast durchgehend Udo in Großaufnahme sehen kann, auf der man nun aber in atemberaubendem Tempo durch die Straßen der Stadt rast und hineingezogen wird in den musikalischen Strudel des Big Apple, auf die Bühne gezaubert von den großartigen Solisten des Abends. (Man hofft doch, dies alles wird demnächst auch auf CD und DVD zu finden sein.) Natürlich erreicht die Stimmung beim Hitmedley den absoluten Höhepunkt, trotzdem sei auch die Stimmung bei all den Liedern zum Zuhören als genauso intensiv beschrieben – Udo Jürgens in der Wiener Stadthalle, das hat nun mal diese ganz eigenartige, einmalige Atmosphäre. Die großen Abschiedslieder, die Finalsongs von Udo, „Deinetwegen“, „Ich laß euch alles da“ – keine Worte mehr dazu, was bleibt ist die Erinnerung an große Lieder, an große Momente. Das „Bademantelfinale“ bringt „Mir dir“ (und jetzt sind alle wirklich im Wohnzimmer mit Udo, oder nicht?), „17 Jahr, blondes Haar“ und „Cottonfields“ – und Udo strebt geschwind zu seinem Bühnenausgang. Ja er wird doch nicht – natürlich wird er, er kommt zurück, setzt sich noch einmal ans Klavier und singt „Wien“. Dass er die vier Zeilen „Endlich steigt mein Flugzeug höher…“ ausspart, fällt wohl nur den „I-Dipfel-Reitern“ auf, es trübt diese für Wien so spezielle, so herzliche wie persönliche Schlussnummer geschweige denn den Gesamteindruck eines „unsterblichen“ Konzerts keineswegs. Und wenn diese Zeilen zu schwärmerisch sein sollen: gerne zugestanden, aber der Abend war halt so einmalig gut.
Herzlicher Gruß
Alexander
Udo Jürgens: Der für mich größte lebende Entertainer - und auch der größte österreichische Komponist der Gegenwart