Ganz interessant!!
Udo Jürgens - „Einfach ich – Live 2009“ (2 CD)
Seit nunmehr über 30 Jahren ist es gute Tradition, daß die jeweiligen – im Schnitt alle zwei Jahre erfolgenden – Marathontourneen von UDO JÜRGENS mitgeschnitten werden und bald darauf eine Doppel-LP bzw. seit Anbruch des Digitalen Zeitalters eine Doppel-CD, bzw. nicht selten gar DVD, auf den Markt kommt, so daß alle Fans des aus Kärnten stammenden Weltstars - sowohl diejenigen, die einem der Konzerte beigewohnt haben, als auch solche, die aus irgendwelchen Gründen zu Hause bleiben mußten, regelmäßig die Möglichkeit zugestanden bekommen, das gesamte Repertoire des entsprechenden Tourprogramms im heimischen Wohnzimmer immer wieder auf sich wirken lassen zu können.
Ende Januar 2008 veröffentlichte Udo Jürgens die schier hervorragende Studioproduktion „Einfach ich“, die umgehend nach Erscheinen auf Rang 5 der offiziellen „Media Control“-Listen schoß – und sich somit als erfolgreichstes Udo-Album seit 1978 (erinnere: „Buenos Dias, Argentina“) erwies. Ein Jahr darauf stand daher mal wieder eine ellenlange Konzertreise des edlen Entertainers mit Wohnsitz Schweiz auf der Agenda, welche dieser auch 2009 wiederum in Begleitung seiner langjährigen Backing-Band, dem „Orchester Pepe Lienhard“, unternahm und die ihn – vorerst – durch 32 Städte in Deutschland, Österreich und der Schweiz führte. Rund 180.000 (!) begeisterte Zuschauer besuchten diese Veranstaltungen; nahezu jede dieser war ein ums andere Mal bis auf den letzten Platz ausverkauft.
Seit kurzem liegt eine insgesamt knapp 90minütige Doppel-CD namens „Einfach ich – Live 2009“ (Ariola/SONY) vor, welche mit sage und schreibe 27 Tracks aufwartet, die im Frühjahr 2009 in Zürich bzw. Kempten aufgezeichnet wurden. Und wieder einmal gab der 74jährige Lebemann alles, was er nur geben konnte. Wie immer bei Udos Auftritten üblich, bestand die erste Hälfte des Programms überwiegend aus neuen Lieder, diesmal natürlich „Einfach ich“ entnommen, sowie persönlichen Favoriten des Künstlers und manchen sprichwörtlichen „Liedern, die im Schatten stehen“.
Wir hören also sowohl großorchestral, beinahe monumental inszenierte Balladen mit philosophisch-nachdenklichen Textinhalten, wie „Einfach ich“, „Stärker als wir“ oder „Nur ein Liebeslied“, wie gleichsam deftig-ironische Zeitgeistkritik der Sorte „Tanz auf dem Vulkan“ oder eine textlich und musikalisch aktualisierte Auslegung von Udos 1991er-Albumbeitrag „Fehlbilanz“ (damals auf der LP „Geradeaus“ enthalten) – niemals zeigefingerschwenkend, stets augenzwinkernd und selbstverständlich in perfektester Formulierung gehalten.
Ein besonders schönes Lied aus „Einfach ich“ ist der abgeklärte, sacht blues- und countrybeinflußte, von einer traumhaften Mundharmonika getragene „Roadsong“ (Zitat: U.J.) „Letzte Ausfahrt Richtung Liebe“: Darin geht es um einen Mann, der viele, viele Jahre nach dem Ende seiner großen Liebe immer wieder durch die Wohngegend seiner einstigen Partnerin fährt, aber nicht den Mut aufbringt, vor ihrer Wohnung anzuhalten, um sie wieder zu sehen… bis ihn plötzlich seine Gefühle überfallen, er stoppt… dort aber im Fenster zwei Schatten erblickt, wovon der eine ein Mann ist… weshalb das Lied-Ich, umgehend zu seinem Wagen zurückgeht – und zutiefst enttäuscht wiederum nach Hause fährt.
Ein so trauriger, wie hinreißender Plot, von Udos Langzeit-Textpartner Wolfgang Hofer in gänsehauterzeugende Worte gefasst; ein musikalisches, wie lyrisches Meisterwerk, das mit einiger Sicherheit in die Annalen anspruchsvoller deutschsprachiger Sangeskunst eingehen wird.
Knapp sieben Minuten lang, lädt uns Udo ein auf das „Narrenschiff“, auf dem sich Künstler, Dichter, Maler, Musiker und sonstige Idealisten tummeln: Einfach nur kreative, quer denkende Menschen, die sich eine bessere Welt erträumen – im Original auf der famosen LP „Deinetwegen“ (1986); 2009 vom „Orchester Pepe Lienhard“ so genial einfühlsam, wie geradezu dramatisch, bombastisch, umgesetzt. Aus dem 1983er-Album „Traumtänzer“ suchte sich der Meister seine damalige Antwort auf Hans Hartz weinerliches Friedensepos „Die weißen Tauben sind müde“, „Die Schwalben fliegen hoch“ für seine „Einfach ich“-Tournee aus. Zu Zeiten von Kriegsangst, NATO-Nachrüstung und „Friedensbewegung“ genauso aktuell, wie a.D. 2009 in Anbetracht von Terrorgefahr, religiösen Fundamentalisten und Atombombentests größenwahnsinniger Diktatoren – wobei sich Udo hier, im Gegensatz zu zig „wütend & betroffenen“ Friedensbarden der frühen 80er Jahre, als konsequenter, unverbesserlicher Optimist erweist.
„Alles im Griff (auf dem sinkenden Schiff)“ lautete die B-Seite der 1980er-Non-Album-Single „Paris – einfach so nur zum Spaß“. Diese freche, fetzige Nummer vernehmen wir auf „Einfach ich – Live 2009“ in einer lyrisch fast gänzlich abgeänderten Fassung, in der Udo aus einer eher bürgerlich-liberalen Sichtweise Kritik am Zeitgeist des Heute und Hier übt (Stichworte: Wirtschaftskrise, „Deutschland sucht den Superstar“, Lob für Barak Obama etc.). Im kessen Ragtime-Sound gehalten ist Udos brillante Hommage an „Tante Emma“ (Songtitel)-Läden, eben an solche kleine Lebensmittelgeschäfte, die heutzutage mehrheitlich längst ausgestorben sind. Ein überaus liebenswerter Titel aus 1976, der von seinem Erschaffer seit vielen, vielen Jahren nicht mehr ‚live’ aufgeführt wurde.
Im zweiten Part eines jeden Tourneeprogramms des immerjungen österreichischen Multitalents stehen seit Ewigkeiten bekannte Hits, die größten Erfolge und die unverbrüchlichen Partyreißer im Vordergrund, wobei 2009 ein starkes Augenmerk auf Jazziges und Swingendes gelegt wurde. Der locker-legere 1981er-Swing „Schenk mir noch eine Stunde“ paarte sich kongenial mit Fred Astaires Stepptanz-Elegie „Singing in the Rain“; die grandiose 1979er-Ballade „Nur ein Lächeln“ verschmolz phänomenal mit Charlie Chaplins Filmlied „Smile“ (1936, aus „Modern Times“), das in diesem Falle übrigens von niemand geringerem, als Soulröhre Stevie Woods im Duett mit Udo interpretiert wurde, einer umwerfenden Stimme, welche die Discokinder der ausgehenden 70er Jahren noch Dank knalliger Tanzflächenfüller a la „Holiday“ oder „Rock me Baby“ kennen dürften.
Bislang integrierte Udo Jürgens in seinen legendären Fetenaufmischer „Ich war noch niemals in New York“ (1982) ausschließlich Frank Sinatras globalen Hit „Theme from New York, New York“. Diesmal kamen zusätzlich weitere „Big Apple“-bezogene Titel in Medleyform zum Einsatz: So etwa der von Judy-Garland-Entdecker Burton Lane geschriebene und ebenfalls von „Frankie-Boy“ bekannt gemachte, sommerliche Swing „How about you“, Petuela Clarks 1965er-Erkennungsmelodie „Downtown“, der schwüle Jazz-Schleicher „Autumn in New York“ (u.a. Sinatra, Ella Fitzgerald, Louis Armstrong) oder das prickelnde, nächtliche Großstadtdrama „On Broadway“ (u.a. „The Drifters“, George Benson).
Das semiklassische Bombastchanson „Mein größter Wunsch“ (1991) ertönt auf „Einfach ich – live 2009“ ebenso intensiv und berührend, wie die mutmachende Hymne „Jetzt oder nie“, ihres Zeichens Titelsong von Udos wundervoller 2005er-Hitscheibe.
Bissige Gesellschaftskritik bieten „Völlig vernetzt“ – hier eher im ironisch zugespitzten Kontext gehalten, musikalisch erneut auf jazzigen Untertönen basierend – und der gänsehauterzeugende Lobgesang auf die Gerechtigkeit, „Was ist das für ein Land“ (2000), den Udo mit einer rockigen, treibenden Inszenierung seines 1982er-Protestsongs „Ich bin dafür“ verband.
Die liebliche 1986er-Ballade „Deinetwegen“ – seinerzeit Titelgeber eines DER unverbrüchlichen LP-Favoriten des Verfassers dieser Zeilen – leitete über in den Abschnitt „Greatest Hits“, der da bestand aus allseits bekanntem und beliebtem Allgemeingut teutonischer Popkultur, so etwa aus dem unzerstörbaren „Ehrenwerten Haus“ (1975 – diesmal mit einem im Tempo verlangsamten Intro ausgestattet), einer Reprise von „Einfach ich“, sowie aus Kurzfassungen von „Aber bitte mit Sahne“ (1976) und „Griechischer Wein“ (1974) bzw. „Mit 66 Jahren“ (197

in voller Länge. „Ich laß Euch alles da“, ursprünglich erschienen auf Udos 1999er-CD „Ich werde da sein“, beendete den „offiziellen“ Teil des „Einfach ich“-Programms.
Doch was ist ein Udo-Jürgens-Konzert ohne seinen Schlußauftritt im gleißend weißen Bademantel am gläsernen Piano?? Es folgen nun reine Pianodarbietungen von „Cottonfields“ (196

, „Mit Dir“ (zuvor unveröffentlicht), „Siebzehn Jahr – Blondes Haar“ (1965) und „Vielen Dank für die Blumen“ (1981).
Udo Jürgens mag durchwegs phantastische, (musik)geschichtlich relevante Studioalben abliefern, keine Frage – in erster Linie ist und bleibt er aber ein klassischer Livemusiker, ein real existierendes „Bühnen-Tier“. Dies beweist er auf jeder seiner Konzertreisen, von denen der Rezensent seit 1984 („Udo – Hautnah“) auch keine einzige versäumt hat.
Die Konzeption seiner Programme – Part-01: Neues und Spezielles / Part-02: Best-of – ist sicherlich nicht unumstritten. Ich persönlich denke aber, es sollte einem unangreifbaren Alleskönner, der Udo ohne jegliche Zweifel ist, selbst überlassen bleiben, wie er seine Shows dramaturgisch aufbaut. „Einfach ich – live 2009“ betört, wie zig Live-Alben von Udo Jürgens zuvor, mit einer m.E. vollkommen gerechtfertigten, stets trefflich austarierten Mixtur aus Bekanntem und weniger Geläufigem, und transferiert zudem auf eindrucksvolle Weise originäre, authentische Konzertatmosphäre direkt zu seinen Hunderttausenden Fans nach Hause!
Gesamtnote: Bestwertung!
Bitte beachtet auch:
http://www.udojuergens.de/start99.htm
Dort sind die Termine der Fortsetzung der ellenlangen „Einfach ich“-Tournee im Herbst 2009 detailliert aufgelistet!
(Holger Stürenburg, 06./07. Juni 2009)
schlager-ute am 14. Juni 2009 16:59
Schönen Restsonntag
Anna