Hi!
Hier nun eine Analyse jenes Apparates, welcher damals unter Hans. R. Beierlein Udo Jürgens produzierte.
Der Artikel erschien im November 1969 in der Zeitschrift "Twen".
Wenn ich aus heutiger Forschungssicht auch einiges anders sehe, so ist in diesem Beitrag doch schon eindeutig die beispiellose Abhängigkeit zu erkennen, in die sich Udo Jürgens schon damals begeben hat und die später mit seinem Lifetime-Vertrag bei der Ariola ihre Fortsetzung fand - bis zum heutigen Tag!
Damals hatte er keine andere Wahl - doch heute?
Aber lest selbst, wie von Beierlein ein Star geschaffen wurde:
DIE QUAL, UDO ZU SEIN


Da setzt sich einer hin, nimmt die Mundharmonika zwischen die Lippen und singt ein freundliches Lied, das vielen gefällt. So, meint man, sieht Erfolg aus. Anders bei Udo. Ein gewaltiges Räderwerk rotiert und funktioniert tüchtig und stur in all seinen auf der Stelle kreislaufenden Einzelteilen und hat nur einen Zweck: Udo in bester Kondition auf Bühnen zu stellen und exakt programmierte Töne und Texte von sich geben zu lassen. Diese Töne und Texte und die mitschwingenden Gefühlswerte sind so definiert, daß sie bei den Zuhörern ebenso exakt berechnete Empfindungen erzeugen. Diese Empfindungen setzen sich um in Schallplattenkäufe und schlagen bei den als Börsennotierungen angesehenen Beliebtheits-Umfragen zu Buch. Udo tut freilich mehr als nur singen. Er komponiert auch. Wäre Udo ein Roboter, würde man in der Sprache der Computer-Ingenieure sagen: Er füttert sich mit seinem eigenen Programm. Mit einem Programm allerdings, das fast ausschließt, was den bei Marktanalysen, Befragungen und Tests ermittelten Daten entgegensteht. Aber sicher ist Udo kein Roboter und seine Kompositionen nicht die Produkte eines datenverarbeitenden Computers. Dennoch ist die Frage zu stellen: Wieviel menschlicher Spielraum bleibt noch - bei einem Millionen-Unterfangen wie der 100-Städte-Tournee Udos, gegenüber einem so präzise durchorganisierten Apparat, der allabendlich Udo auf die Bühne stellt. Wie groß ist eigentlich die Qual, Udo zu sein? Lesen Sie unseren Bericht über den "Udo-Apparat".
DER UDO APPARAT
Noch nie hat sich in Deutschland ein Künstler so vollkommen einer Manager-Organisation ausgeliefert, wie Udo Jürgens. Er trifft - außer im allerengsten persönlichen Bereich - keine Entscheidungen, ohne sich vom Apparat seines Managers "beraten" zu lassen, wie man das so schön nennt. Um es vereinfacht zu sagen: Udo Jürgens ist der Markenartikel, der in der Firma seines Managers am laufenden Band produziert wird und bei dem ein Team hervorragender Spezialisten darauf achtet, daß die Qualität beständig bleibt oder gar noch verbessert wird. Das Ergebnis: Persil 69 - pardon: Udo '70. Das kann durchaus wörtlich verstanden werden. Denn nur durch dieses perfekt operierende Management wurde Udo Jürgens für die Welt ein Star. Alle seine früheren Startversuche waren eklatante Mißerfolge. Fast alle großen Bosse der Plattenindustrie haben sich daran mitschuldig gemacht, denn mit fast allen hatte der Anfänger Udo einmal zu tun. Es war eine Frage des Alles oder Nichts, als er sich seinem heutigen Manager so bedingungslos anvertraute.
Heute ist Udo Jürgens Millionär, Top-Star mit Verträgen in 79 Ländern, anerkannt als Musiker, abgesichert gegen sämtliche Eventualitäten. Dank Beierlein.
MUSIKALISCHER REGENWURM
Beierlein, 41, ist der Mann im Hintergrund, der Kommandeur dieser Manager-Truppe, die binnen drei Jahren eine Leistung vollbrachte, die höchstens noch mit jener des ehemaligen Box-Promoters Johnny Stark für seinen Schützling Mireille Mathieu vergleichbar ist.
Beierleins Firma, die Edition Montana in München, betreut Udo Jürgens. Mit Haut und Haar. 1964, als Udo Jürgens sich in Heimatfilmen verschlissen, mit nichtssagenden Schlagern um jede Karriere-Chance gebracht sah, griff Beierlein zu. Beierlein: "Von Musik habe ich soviel Ahnung wie ein Regenwurm. Aber ich weiß, was gefragt ist."
Denn was gefragt sein wird, bestimmt Beierlein. Zumindest bestimmt er mit. Dafür hat er seine gut geölte Organisation aufgezogen. Jetzt, im Jahre der gigantischen 101-Städte-Tournee (mindestens 150 Konzerte), steht für die Betreuung des Stars Udo Jürgens dieser personelle Apparat zur Verfügung:
Hans R. Beierlein, Manager
Dieter Weidenfeld, Promotion
Klaus Berenbrok, Tourneeplanung
Gerdi Bartelt, Pressebetreuung
Alfred H. Jacob, Sonderobjekte
Ute Theile, Promotion-Assistentin
Peter Graumann, Reiseleiter
Alfred Schenz, Rechtsberater
Paul Schremser, Finanzberater
Walter Grohganz, Administration
Gerda Wiltschek, Helga Jelinek, Ingeborg Degen, Brigitte Berger, Cornelia Leithe, Sekretärinnen
Kathrin Meichau, telefonische Tag- und Nachtverbindung
Willi Übelherr, Reisesekretär und Musiker
Bob Blumenhofen, Heinz Allhoff, Walter Gregel, Sigi Übelherr, Musiker
Franz Hurm, Auf- und Abbauspezialist und Chauffeur
Josef Gottscheber, Chauffeur und Beleuchter
Außerdem Udos Hausarzt. Und für die Konzerte in den größten deutschen Städten noch Konzertmanager Hans-Werner Funke aus Hamburg. Udo Jürgens fühlt sich perfekt betreut. Denn Beierleins Rechnung 1964 ist komplett aufgegangen. Erst als er seiner Sache ganz sicher war, schloß Beierlein mit Udo Jürgens Management-Verträge. Bis 1968 gab es zwischen beiden nur lose mündliche Abmachungen. Beierlein: "Schließlich sind Udo und ich Freunde." 1968 jedoch leistete Beierlein auch auf diesem Gebiet ganze Arbeit.
EHE AUF ZEHN JAHRE
Für die Dauer von zehn Jahren schloß die Edition Montana mit Udo Jürgens drei weltumspannende Verträge:
1. Einen Vertrag mit dem Interpreten Udo Jürgens, der ihn als Sänger, Pianist etc. an Beierlein bindet. In diesen Vertrag fällt auch die "Untervermietung" des Stars Udo Jürgens an Schallplattengesellschaften.
2. Einen Vertrag mit dem Komponisten und Texter Udo Jürgens. Alles, was Udo an Musiken und Texten schreibt, wird von Beierlein ausgewertet oder an ausländische Musikverlage weitervergeben.
3. Einen Vertrag für Fernsehauftritte, öffentliche Konzerte etc..
Bei jedem dieser drei Verträge verbürgt sich Beierleins Edition Montana für hohe Garantiesummen. Hans R. Beierlein ("Montana bin ich") hat nicht nur Udo Jürgens an sich, sondern auch sich selbst an Udo Jürgens gebunden. Beierlein: "Wenn Udo in einigen Jahren aufhört zu singen und sich nur noch als Komponist und Texter betätigt, steige ich aus diesem Geschäft aus."
Dann will er seine gepflegte Bürovilla neben Münchens Englischen Garten verlassen, in der er heute noch neben sachlich eingerichteten Arbeitsräumen ein mit leicht verspieltem Luxus ausgestattetes Schlafgemach unterhält.
Nach Ablauf seiner Verträge, damit hat Beierlein Recht, kann er für Udo Jürgens kaum noch etwas tun. Udo wird dann so etabliert sein, daß er keinen Beierlein mehr braucht. Aber bis dahin wird das Manager-Kalkül auch noch bis in die entferntesten Winkel dieser Erde wirksam geworden sein. Bereits heute hat Beierlein für Udo Jürgens Verträge in 79 Ländern abgeschlossen. "Nur die Äußere Mongolei, die Volksrepublik China und Albanien fehlen noch", sagt Beierlein mit bescheidenem Stolz.
Beim Aufbau seines Stars in Europa (Beierlein: "Hier mußte man den Hebel ansetzen") entwickelten Beierlein und sein Stab eine einleuchtende Taktik:
Der Jürgens-Erfolg mit "Merci Cherie" beim Eurovisions-Festival wurde benutzt, um aller Welt die Geschichte vom verkannten und herumgeschubsten Genie deutlich zu machen. Tenor: Immer wird uns das Ausland als Fundgrube junger Talente vorgehalten. Aber hier seht ihr mal, wie es den Könnern im eigenen Lande ergeht. Dieser begabte Junge, dieser Udo Jürgens, ist jahrelang von der ganzen Plattenbranche in Grund und Boden produziert worden, weil er die schlechten Einfälle anderer Leute nachsingen mußte. Hier, beim Eurovisionsfestival, durfte er endlich mal was Eigenes singen. Und der Riesenerfolg ist da.