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Sonntag, 26. September 2010, 03:01

Die Qual, Udo zu sein - Eine Analyse des UJ Managements 1969

Hi!

Hier nun eine Analyse jenes Apparates, welcher damals unter Hans. R. Beierlein Udo Jürgens produzierte.
Der Artikel erschien im November 1969 in der Zeitschrift "Twen".
Wenn ich aus heutiger Forschungssicht auch einiges anders sehe, so ist in diesem Beitrag doch schon eindeutig die beispiellose Abhängigkeit zu erkennen, in die sich Udo Jürgens schon damals begeben hat und die später mit seinem Lifetime-Vertrag bei der Ariola ihre Fortsetzung fand - bis zum heutigen Tag!
Damals hatte er keine andere Wahl - doch heute?
Aber lest selbst, wie von Beierlein ein Star geschaffen wurde:

DIE QUAL, UDO ZU SEIN




Da setzt sich einer hin, nimmt die Mundharmonika zwischen die Lippen und singt ein freundliches Lied, das vielen gefällt. So, meint man, sieht Erfolg aus. Anders bei Udo. Ein gewaltiges Räderwerk rotiert und funktioniert tüchtig und stur in all seinen auf der Stelle kreislaufenden Einzelteilen und hat nur einen Zweck: Udo in bester Kondition auf Bühnen zu stellen und exakt programmierte Töne und Texte von sich geben zu lassen. Diese Töne und Texte und die mitschwingenden Gefühlswerte sind so definiert, daß sie bei den Zuhörern ebenso exakt berechnete Empfindungen erzeugen. Diese Empfindungen setzen sich um in Schallplattenkäufe und schlagen bei den als Börsennotierungen angesehenen Beliebtheits-Umfragen zu Buch. Udo tut freilich mehr als nur singen. Er komponiert auch. Wäre Udo ein Roboter, würde man in der Sprache der Computer-Ingenieure sagen: Er füttert sich mit seinem eigenen Programm. Mit einem Programm allerdings, das fast ausschließt, was den bei Marktanalysen, Befragungen und Tests ermittelten Daten entgegensteht. Aber sicher ist Udo kein Roboter und seine Kompositionen nicht die Produkte eines datenverarbeitenden Computers. Dennoch ist die Frage zu stellen: Wieviel menschlicher Spielraum bleibt noch - bei einem Millionen-Unterfangen wie der 100-Städte-Tournee Udos, gegenüber einem so präzise durchorganisierten Apparat, der allabendlich Udo auf die Bühne stellt. Wie groß ist eigentlich die Qual, Udo zu sein? Lesen Sie unseren Bericht über den "Udo-Apparat".

DER UDO APPARAT

Noch nie hat sich in Deutschland ein Künstler so vollkommen einer Manager-Organisation ausgeliefert, wie Udo Jürgens. Er trifft - außer im allerengsten persönlichen Bereich - keine Entscheidungen, ohne sich vom Apparat seines Managers "beraten" zu lassen, wie man das so schön nennt. Um es vereinfacht zu sagen: Udo Jürgens ist der Markenartikel, der in der Firma seines Managers am laufenden Band produziert wird und bei dem ein Team hervorragender Spezialisten darauf achtet, daß die Qualität beständig bleibt oder gar noch verbessert wird. Das Ergebnis: Persil 69 - pardon: Udo '70. Das kann durchaus wörtlich verstanden werden. Denn nur durch dieses perfekt operierende Management wurde Udo Jürgens für die Welt ein Star. Alle seine früheren Startversuche waren eklatante Mißerfolge. Fast alle großen Bosse der Plattenindustrie haben sich daran mitschuldig gemacht, denn mit fast allen hatte der Anfänger Udo einmal zu tun. Es war eine Frage des Alles oder Nichts, als er sich seinem heutigen Manager so bedingungslos anvertraute.
Heute ist Udo Jürgens Millionär, Top-Star mit Verträgen in 79 Ländern, anerkannt als Musiker, abgesichert gegen sämtliche Eventualitäten. Dank Beierlein.

MUSIKALISCHER REGENWURM

Beierlein, 41, ist der Mann im Hintergrund, der Kommandeur dieser Manager-Truppe, die binnen drei Jahren eine Leistung vollbrachte, die höchstens noch mit jener des ehemaligen Box-Promoters Johnny Stark für seinen Schützling Mireille Mathieu vergleichbar ist.
Beierleins Firma, die Edition Montana in München, betreut Udo Jürgens. Mit Haut und Haar. 1964, als Udo Jürgens sich in Heimatfilmen verschlissen, mit nichtssagenden Schlagern um jede Karriere-Chance gebracht sah, griff Beierlein zu. Beierlein: "Von Musik habe ich soviel Ahnung wie ein Regenwurm. Aber ich weiß, was gefragt ist."
Denn was gefragt sein wird, bestimmt Beierlein. Zumindest bestimmt er mit. Dafür hat er seine gut geölte Organisation aufgezogen. Jetzt, im Jahre der gigantischen 101-Städte-Tournee (mindestens 150 Konzerte), steht für die Betreuung des Stars Udo Jürgens dieser personelle Apparat zur Verfügung:
Hans R. Beierlein, Manager
Dieter Weidenfeld, Promotion
Klaus Berenbrok, Tourneeplanung
Gerdi Bartelt, Pressebetreuung
Alfred H. Jacob, Sonderobjekte
Ute Theile, Promotion-Assistentin
Peter Graumann, Reiseleiter
Alfred Schenz, Rechtsberater
Paul Schremser, Finanzberater
Walter Grohganz, Administration
Gerda Wiltschek, Helga Jelinek, Ingeborg Degen, Brigitte Berger, Cornelia Leithe, Sekretärinnen
Kathrin Meichau, telefonische Tag- und Nachtverbindung
Willi Übelherr, Reisesekretär und Musiker
Bob Blumenhofen, Heinz Allhoff, Walter Gregel, Sigi Übelherr, Musiker
Franz Hurm, Auf- und Abbauspezialist und Chauffeur
Josef Gottscheber, Chauffeur und Beleuchter
Außerdem Udos Hausarzt. Und für die Konzerte in den größten deutschen Städten noch Konzertmanager Hans-Werner Funke aus Hamburg. Udo Jürgens fühlt sich perfekt betreut. Denn Beierleins Rechnung 1964 ist komplett aufgegangen. Erst als er seiner Sache ganz sicher war, schloß Beierlein mit Udo Jürgens Management-Verträge. Bis 1968 gab es zwischen beiden nur lose mündliche Abmachungen. Beierlein: "Schließlich sind Udo und ich Freunde." 1968 jedoch leistete Beierlein auch auf diesem Gebiet ganze Arbeit.

EHE AUF ZEHN JAHRE

Für die Dauer von zehn Jahren schloß die Edition Montana mit Udo Jürgens drei weltumspannende Verträge:
1. Einen Vertrag mit dem Interpreten Udo Jürgens, der ihn als Sänger, Pianist etc. an Beierlein bindet. In diesen Vertrag fällt auch die "Untervermietung" des Stars Udo Jürgens an Schallplattengesellschaften.
2. Einen Vertrag mit dem Komponisten und Texter Udo Jürgens. Alles, was Udo an Musiken und Texten schreibt, wird von Beierlein ausgewertet oder an ausländische Musikverlage weitervergeben.
3. Einen Vertrag für Fernsehauftritte, öffentliche Konzerte etc..
Bei jedem dieser drei Verträge verbürgt sich Beierleins Edition Montana für hohe Garantiesummen. Hans R. Beierlein ("Montana bin ich") hat nicht nur Udo Jürgens an sich, sondern auch sich selbst an Udo Jürgens gebunden. Beierlein: "Wenn Udo in einigen Jahren aufhört zu singen und sich nur noch als Komponist und Texter betätigt, steige ich aus diesem Geschäft aus."
Dann will er seine gepflegte Bürovilla neben Münchens Englischen Garten verlassen, in der er heute noch neben sachlich eingerichteten Arbeitsräumen ein mit leicht verspieltem Luxus ausgestattetes Schlafgemach unterhält.
Nach Ablauf seiner Verträge, damit hat Beierlein Recht, kann er für Udo Jürgens kaum noch etwas tun. Udo wird dann so etabliert sein, daß er keinen Beierlein mehr braucht. Aber bis dahin wird das Manager-Kalkül auch noch bis in die entferntesten Winkel dieser Erde wirksam geworden sein. Bereits heute hat Beierlein für Udo Jürgens Verträge in 79 Ländern abgeschlossen. "Nur die Äußere Mongolei, die Volksrepublik China und Albanien fehlen noch", sagt Beierlein mit bescheidenem Stolz.
Beim Aufbau seines Stars in Europa (Beierlein: "Hier mußte man den Hebel ansetzen") entwickelten Beierlein und sein Stab eine einleuchtende Taktik:
Der Jürgens-Erfolg mit "Merci Cherie" beim Eurovisions-Festival wurde benutzt, um aller Welt die Geschichte vom verkannten und herumgeschubsten Genie deutlich zu machen. Tenor: Immer wird uns das Ausland als Fundgrube junger Talente vorgehalten. Aber hier seht ihr mal, wie es den Könnern im eigenen Lande ergeht. Dieser begabte Junge, dieser Udo Jürgens, ist jahrelang von der ganzen Plattenbranche in Grund und Boden produziert worden, weil er die schlechten Einfälle anderer Leute nachsingen mußte. Hier, beim Eurovisionsfestival, durfte er endlich mal was Eigenes singen. Und der Riesenerfolg ist da.

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Sonntag, 26. September 2010, 03:02

Re: Die Qual, Udo zu sein - Eine Analyse des UJ Managements 1969

DIE MITLEIDS-MASCHE

Diese Arbeit für Udo Jürgens paktierte, mal mehr, mal weniger deutlich, mit den Ressentiments beim Publikum. Jeder geschundene Angestellte konnte da mitfühlen: Na ja, die wirklichen Talente läßt man eben nicht hochkommen. Außerdem weckte sie ein großes Mitgefühl der Menschen für Udo Jürgens.
Unterschlagen wurde dabei, wie so manches, auch die Tatsache, daß Udo Jürgens schon Jahre zuvor beim Schlagerfestival in Knokke zur Siegermannschaft gehörte. Mit seinem Lied "Jenny". Damals blieben dem Publikum die nun gefundenen Erkenntnisse fremd. Denn bei Knokke gab es noch keinen Beierlein.
Der zweite Schritt auf dem Weg, Udo Jürgens zum Top-Star zu machen, mußte dann die Beweisführung sein, daß "Merci Cherie" kein Zufallstreffer war. Beierlein setzte alle Verbindungen seines international renommierten Musikverlages ein, um Udo Jürgens auch im Ausland zu Erfolgen zu verhelfen. Für den deutschen Markt setzte er zunächst auf die Popularisierung seines Stars. Udo mußte in die Hitparade. Für anspruchsvolle Nummern glaubte Beierlein den Markt noch nicht genügend vorbereitet. Deshalb kam der Jürgens-Schlager "Siebzehn Jahr', blondes Haar".
Ganz langsam zogen Beierlein und sein Team die Qualitätsschraube fester an. Doch nicht Udo sollte hier den Markt testen. Dieses Risiko überließ Beierlein einigen ausländischen Stars, mit denen er inzwischen ebenfalls Betreuungsverträge hat: Gilbert Bécaud, Salvatore Adamo und Françoise Hardy.
Beierlein und sein Team erhoben den anspruchsvollen Schlager zum Regierungsprogramm. Nicht müde wurden sie, in ihren Presseveröffentlichungen Schnulzen-Banalitäten auf die Schippe zu nehmen.
So verbreiteten sie nach dem "Deutschen Schlagerfestival", das einen kaum unterbietbaren Qualitätstiefstand geoffenbart hatte, ein Rundschreiben mit der "eidesstattlichen Erklärung", daß kein Künstler, Komponist oder Texter der Edition Montana an dem Festival beteiligt gewesen sei.

DIE ROSEN-MASCHE

Nebenbei konnten sie sich auch der erotischen Befreiung des deutschen Musikliebhabers rühmen: Helen Vita mit ihren "Frechen Chansons aus dem alten Frankreich" wird ebenfalls von Beierleins Schlafzimmer-Büro aus betreut.
Drei Jahre nach Abschluß der ersten freien Vereinbarung zwischen Udo Jürgens und Hans R. Beierlein, also 1967, hatte Udo seine "erste Million im Keller" (Beierlein). Alljährliche Tourneen durch die Großstädte hatten Udo bühnensicher und populär gemacht. Beierlein konnte zu seinem größten Schlag ausholen, der "Tournee der Tourneen", wie er sein gerade laufendes Unternehmen selber nennt.
Er blieb dabei seiner eigenen Devise treu: "Man spielt ein Spiel zu Ende, oder man verliert sogar den Einsatz." Beierlein und Udo haben hoch gespielt - und es sieht ganz so aus, als ob sie auch haushoch gewinnen würden. Nicht nur wegen der 25 000 Mark, die Udo Jürgens für jeden seiner 150 Auftritte kassiert. Nein, nach Gewinn sieht es auch aus, weil Beierlein selbst die Karten gemischt hat. Keine Kombination hat er ausgelassen, um aus diesem Spiel als Sieger hervorzugehen.
Es beginnt bereits mit der Langspielplatte zur Tournee. "Udo 70" heißt sie.
Dafür hat Udo einen sehr schönen Schlager geschrieben. "Eine Rose für Dich" heißt er. Also mobilisierte Beierlein auch noch die Blumenzüchter. In den Städten der Jürgens-Tournee verteilen sie rote Rosen. Und auch Udo bekommt während seines Auftritts in zufälliger Regelmäßigkeit nach jedem Lied von Damen aus dem Publikum eine rote Rose dediziert. Man traut sich beinahe schon nicht mehr, es zu erwähnen: Auf der Plattentasche findet sich als Werbesymbol auch eine rote Rose. Selbstverständlich heißt diese Rose "Udo-Jürgens-Rose". Man hat sie soeben nach ihm benannt. Das alles aber sind nur winzige Mosaik-Steine in der Triumph-Halle, die Hans R. Beierlein für seinen Star Udo Jürgens entworfen hat.
Dieser Cheflogist unter den europäischen Managern blieb nicht bei naheliegenden Werbekombinationen stehen. Beierlein ließ mit Hilfe der Wickert-Institute ermitteln, daß Udo Jürgens nach den ermordeten Kennedy-Brüdern das größte Idol der deutschen Jugend darstellt. Mao und L. B. Johnson teilen sich in dieser Umfrage den 12. Platz. Der soviel besungene Ho-Ho-Ho-Tschi-Minh fehlt gänzlich. Er würde sicher auch stören.
Beierlein versandte an die Verkehrsämter sämtlicher größeren deutschen Städte einen speziell entwickelten Bogen mit 21 Fragen, um genaue Angaben über Konzertmöglichkeiten, Säle, Gewinnchancen und Einwohnercharakter zu erhalten. Dadurch verfügt Beierlein heute über ein größeres Spezialwissen als jeder Konzertveranstalter. Er brachte auch deutsche Rennomier-Autoren wie Hans Hellmut Kirst ("Null-Acht-Fuffzehn", "Die Heinz-Rühmann-Story") und James Krüss ("James Tierleben") dazu, als Schlagertexter für Udo Jürgens tätig zu werden. Und er vergaß selbst Deutschlands Gläubige nicht: Zur Tournee "Udo 70" ließ er unter dem Titel "Was mir Udo Jürgens über die Liebe verriet" ein "offenherziges Gespräch" zwischen Udo und Fernsehpfarrer Adolf Sommerauer verbreiten.
In eben diesem Gespräch mit dem Fernsehpfarrer hat Udo Jürgens auch ein paar Dinge gesagt, die erklären können, warum die Manager um den Star in dieser Geschichte nicht als Buhmänner, sondern als harte und trennscharfe Denker erscheinen. Udo hat sich so geäußert, daß Sommerauer über ihn sagen konnte: "Udo weiß..., man muß die Menschen lieben. Man muß sein Herz auf den Tisch legen, damit andere das ihre dazulegen können."

DIE EHRLICHKEITS-MASCHE

Da fragt man dann plötzlich nicht mehr, ob Udo zum Beispiel die Texte seiner Lieder gut findet. Man glaubt ihm, wenn er sagt: "Ich nehme meine Lieder ernst." Und deshalb glaubt man nicht mehr, daß er von seinen Managern unter Druck gesetzt werden muß, um zu singen und zu tun, was er singt und was er tut. Udo ist eben so. Das herausgefunden zu haben, ist Beierleins größter Verdienst. Wo die anderen Bosse des Show-Geschäftes aus Udo immer einen anderen machen wollten, entblößte Beierlein den echten Udo. Total.
Nur an einem Punkt hält Beierlein ein Feigenblatt vor eine mögliche, allzu öffentliche Bloßstellung: Er sorgt eifersüchtig dafür, daß sehr jugendliche Autogrammjägerinnen nicht zu allein und zu nah an Udo Jürgens herankommen: Stars können von Skandalen profitieren, ein Idol würde daran zugrundegehen.
Seit Udo mit Beierlein arbeitet, kann er so sein, wie er sich selbst am liebsten sieht. Und ohne daß Udo gekränkt wäre, kann Beierlein deshalb heute auftrumpfen: "Bei mir hat ein Sänger zu singen. Alles andere nehme ich ihm dann schon ab." Möchten Sie Udo sein?


Und hier wieder die Bilder in Originalgröße:

http://www.abload.de/img/bild1el5x.jpg
http://www.abload.de/img/bild2zxlk.jpg
http://www.abload.de/img/bild349sn.jpg
http://www.abload.de/img/bild4uaq5.jpg

MfG,
Thomas2

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Sonntag, 26. September 2010, 10:23

Re: Die Qual, Udo zu sein - Eine Analyse des UJ Managements 1969

Hallo Thomas2,

danke, dass Du den Mut besitzt diesen Artikel aus Twen zur Diskussion zu stellen. Ich habe das Heft auch im Archiv und traute mich nicht hieraus zu zitieren! Er wird so manchen (auch jüngeren) Fan ein bisserl aus der Fassung bringen...

Zunächst muss man aus der Naschschau heraus sagen, dass ich es für einen unglaublichen "Glücksstreich" empfinde, dass Baierlein und Jürgens sich fanden!

J. und B. waren in den sechziger Jahren INNOVATION. Es traf die Kunst auf kongeniale Vermarktung in einem Ausmaß, der bislang im deutschsprachigen Raum unbekannt war!!!

Die Weltkarriere dieses UJ hätte ohne Baierlein nie stattgefunden. Baierlein war der Mann, der ebenbürtig - marketingmäßig - mit der "welttauglichlichen Potenz" der UJ Kompositionen mitthalten konnte.

So hat er im Ausland immer "hungrige" kleinere Plattenlabels für UJ ausfindig gemacht, die SCHARF darauf waren seine Platten zum Erfolg in den jeweiligen Ländern zu bringen.Nur so als Beispiel.

Baierlein hat 1976 den Kontakt zu Achim Heider hergestellt. Jürgens sound brauchte dringend eine Auffrischung. B. hatte die 1975 LP Hell, wie ein Diamant" von seinem Schützling Michael Schanze bei Heider in Auftrag gegeben. Und das Klangergebnis war mehr als brilliant auf diesem Produkt!

Der Twen Artikel zeigt aber auch einen psychisch recht abhängigen Künstler vom management. Motto:"Der Baierlein wirds scho richtn..."

Ein Charakteristikum, welches bei UJ bis zum heutigen Tag für mich wahrnehmbar ist.

Siehe die- wiederum aus meiner Sicht -sture Treue zu seinem Produzenten Peter Wagner. Nichts gegen Herrn Wagner, aber weg von weichgespülten Schlagerproduktionen -siehe die letzten CDs - mal hin zu einem wohl gereiften UJ. "A man and his piano" und Bass und Trommel und Geige und ein Till Brönner.

Siehe diese "billige" offizielle webseite des Meisters. "Zürich" wird schon damit richtig liegen.

Siehe diese Konzentration bei seinen gegenwärtigen Veröffentlichungen auf den deutschsprachigen Raum. Keinerlei Auswertungen seiner Auslandsproduktionen. Meine Gebetsmühle:"UJ live in Japan 1973"....Tja, hätte Udo Jürgens bei sich im eigenen Laden mal was zu sagen, ne...

Ich finde es gut, dass wir hier in diesem Forum die Möglichkeit haben auch derartige Aspekte, wie ihn dieser TWEN Artikel aufweist, diskutieren können.

Fabelhaft eben auch von Hans R.Baierlein, dass er TWEN damit beauftragt hat (hiervon bin ich überzeugt) den analytischen Bericht zu schreiben. TWEN war ja 1969 eine totale Kultzeitschrift. Sie war INNOVATIV...siehe oben..

Gruß Claus

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Sonntag, 26. September 2010, 14:50

Re: Die Qual, Udo zu sein - Eine Analyse des UJ Managements 1969

Hallo Claus,

durchaus möglich, daß Beierlein diesen Artikel bei TWEN in Auftrag gegeben hatte.
Aber gottseidank stand TWEN nicht bei Beierlein unter Vertrag, so daß diese Analyse dann doch etwas anders ausfiel, als Beierlein sich das wohl erhofft hatte.
Sie zeigt halt die Licht- UND die Schattenseiten.
Beierleins Verdienste um Udo werden trotz allem entsprechend gewürdigt.
Was interessant ist: Bereits unter Beierlein wurde diese Udo-Jürgens-Chronik der frühen Jahre "konstruiert", um (wie oben gechrieben) Udo als verkanntes Genie darzustellen und die Schuld seiner frühen Mißerfolge einfach nur den Plattenbossen in die Schuhe zu schieben.
Damit rückte er (Beierlein) noch mehr in den Vordergrund - war er doch der einzige, der den Wert eines Udo Jürgens erkannt und ihm den richtigen Weg gewiesen hatte.
Daß dabei ein Lebenslauf konstruiert wurde, den es so nie gegeben hatte und Dinge, die nicht so recht in das Konzept des "in Grund und Boden produzierten Künstlers" passen wollten einfach verschwiegen wurden, konnte da nicht weiter stören.
Wer machte sich damals schon die Mühe, in 10 Jahre alten Zeitschriften nachzuforschen, ob Udo mit "Je taime" nun 1950 instrumental einen Kompositionswettbewerb gewann, oder ob dieser Titel eigentlich erst 1954 auf einem Schlagerfestival von Udo gesungen wurde.
Instrumental konnte man den Titel als "ersten Erfolg" aus Udo's eigener Feder in die Biographie einbauen, gesungen wäre es wieder eine jener angeblichen Schund- und Schand-Titel gewesen.
Es ist ja nicht so, daß man nicht schon VOR Beierlein alles nur Erdenkliche versucht hätte, Udo zum Star zu machen.
Aber, wie schon so oft betont: Die 50er Jahre waren halt nicht die 60er, es war eine völlig andere Zeit - auch vom Musikgeschmack her.
In den 60ern wurde die Unterhaltungsmusik revolutioniert und ich wage die Behauptung, daß Udo mit "Merci Cherie" Anfang 1950 auch noch nicht den Durchbruch geschafft hätte.
Meiner Meinung nach fehlten ihm damals lediglich zwei Dinge: Zum einen ein großer Name und zum anderen die gewisse Portion Fortune!
Dabei sah es Anfangs gar nicht so schlecht aus. Nach einem "sehr mäßigen Erfolg" (um es schonend auszudrücken) mit den "Weißen Chrysanthemen" im Jahre 1956 und zwei weiteren Singles, von denen zumindest "Monika / Das ist typisch italienisch" schon wesentlich besser "ins Ohr gingen", erreichte Udo knapp ein Jahr später seinen allerersten Achtungserfolg bei Heliodor. Titel: "Hejo Hejo - Gin und Rum / Little Jim, little Jack, little Joe".
Zumindest von den Verkaufszahlen her dürfte Heliodor diesmal mehr als zufrieden gewesen sein. Die Belohnung war, daß Udo seine nächste Single bereits beim Schwester-Label Polydor produzieren durfte.
"Jolly Joy hat einen Boy / Es zieht ein Spielmann durch das Land" (so hieß diese Single) wurde vorsichtshalber unter dem Namen "Trocaderos" vermarktet.
Die Trocaderos waren eine Gesangsgruppe, die bei Polydor unter Vertrag standen und denen man Udo für diese Aufnahme als Gesangssolisten zugewiesen hatte.
Leider gab es mit dieser Single wieder einen herben Rückschlag.
Abgesehen davon, daß Udo auf dem Label nicht mal namentlich erwähnt wurde (obwohl die Trocaderos nur den Begleitgesang machten), war für Udo das Thema Polydor hiermit bis auf weiteres wieder erledigt.
Heliodor war nun gefordert, Udo wenigstens erst einmal richtig bekannt zu machen.
Das versuchte man bereits bei seiner nächsten Single, für die eigens "Schaufenster-Pappen" gedruckt wurden, die dann in den Plattenläden als Dekoration dienten.
Als das auch noch nicht so richtig zog, probierte man einen Stilwandel und setzte mehr auf Country&Western und Seemannslieder.
Alles durchaus hüsch anzuhörende Aufnahmen - allein den Durchbruch brachten auch sie nicht.
Ausgelassen wurde eigentlich nichts - selbst eine eigene EP sollte Udo dem Publikum näherbringen. "Das ist Udo Jürgens" war der vielsagende Titel, mit anderen Worten: Das ist unser neues Talent, nun kauft doch endlich seine Platten!
Auf unzählige Sampler wurden seine Aufnahmen gepreßt und bereits im Jahre 1957 kam dann auch der erste Kinofilm mit Udo Jürgens auf den Markt: "Die Beine von Dolores".
Wenngleich der große Erfolg noch immer ausblieb, hatte Udo zumindest eines geschafft: Er war mittlerweile kein unbekannter Künstler mehr.
Als fester Bestandteil der Heliodor-Family aber leider noch immer einer von vielen.
Das änderte sich auch nicht, als man ihn 1958 auf der Single "Wir fahren, wir fahren..." einen selbstkomponierten Titel singen ließ ("Wann kommt die Liebe").
Im Jahre 1959 kam dann (freilich aus anderen Gründen, wie beim ersten Mal) wieder der Wechsel zu Polydor, und dort fuhr man erstmal brav auf der Country&Western-Schiene weiter: "Leg' die Knarre weg / Susanie".
Zwischendurch stellte man ihn dann der damals schon wesentlich erfolgreicheren Margot Eskens zur Seite ("Drei Takte Musik im Herzen / Schlagzeug und Baß und Klavier") - wieder nichts!
Bis zum Jahre 1960 sollte es dann noch dauern, bis er endlich mit seiner Eigenkomposition "Jenny" einen ersten richtigen "Hit" landen konnte - der Weg dazu wurde ihm durch die erfolgreiche Teilnahme mit dem deutschen Team beim Schlagerfestival in Knokke geebnet.
Vor Begeisterung ob dieses unerwarteten Erfolges ließ man auch gleich eine zweite Single des gleichen Titels in englischer Sprache aufnehmen, welche international vermarktet werden sollte.
Leider blieb es vorerst bei diesem einen großen Erfolg und man versuchte fortan, Udo weiter über die Kinoleinwand populär zu machen.
Einige der Lieder, die teilweise eigens für diese Filme geschrieben wurden, kamen dann auch wieder auf Single's heraus, zuerst bei Polydor ("La Serenata / Ich sage dir nicht, ich liebe dich"), und als diese dann endgültig das Handtuch warfen und den Plattenvertrag nicht mehr verlängern wollten, bei Elite Special und Austroton ("Das kann auch dir geschehn / Das sind unsere goldnen Jahre").
Alles mit nur mäßigem Erfolg.
Wen wundert's, daß auch Udo nun so langsam die Luft ausging, und er sich nur noch auf's Komponieren legen wollte.
Dieser Zeitpunkt war es nun gewesen, an dem Beierlein auf der Bildfläche erschien.
Er war halt nicht nur ein Organisations-Genie, sondern besaß auch jenes gewisse Gespür für Erfolg. Und das ist etwas, was man nicht erlernen kann, sondern einfach haben muß. Beierlein hatte es, und das neue Gespann Beierlein / Jürgens sollte eine beispiellose Erfolgsgeschichte erwarten.
Nichtsdestotrotz hatte es Beierlein dabei bei weitem nicht so schwer, wie immer behauptet wird, denn die "Grundarbeit" war bereits getan:
Udo war bereits bekannt, er hatte seinerseits schon genug Erfahrungen gesammelt (Amerika-Reise / Rußland-Tournee) und es galt eigentlich nur, DEN Hit für ihn zu finden.
Der Weg dazu sollte, wie schon bei "Jenny" über Schlagerfestivals führen.
Was in den ersten Grand-Prix-Anläufen trotz kommerzieller Erfolge noch nicht ganz gelungen war, sollte dann im Jahre 1966 mit "Merci Cherie" endgültig der große Durchbruch werden.
Selbst heutzutage wird in Fachkreisen noch immer gerätselt, warum ausgerechnet jenes "Merci Cherie" so außerordentlich erfolgreich war (wurden Udo doch im Vorfeld des ESC Null Chancen eingeräumt)!
Aber auch hier zeigt sich wieder das unglaubliche Gespür Beierleins, diesmal genau den richtigen Titel zur richtigen Zeit ausgewählt zu haben.
Das war der endgültige Durchbruch - der Rest eigentlich nur noch Routine. Für einen Mann wie Beierlein bestimmt eine der dankbarsten Aufgaben seines Lebens!

MfG,
Thomas2