Mein persönlicher Konzerteindruck, das erste Mal in Köln dabei.
Herzlicher Gruß
Alexander
EIN ÜBERWÄLTIGENDER ABEND
Udo Jürgens „Einfach ich“ in der Lanxess Arena in Köln, 14.11.2009
Der überwältigende Gesamteindruck dieses Konzerts ergibt sich aus der Tatsache, dass es gelang, eine Riesenhalle in der Schwankung zwischen Stadion- und Wohnzimmeratmosphäre in Balance zu halten. Garanten dafür waren das grandiose Entertainment von der Bühne her und ein genauso grandios mitgehendes Publikum. Die riesige Konzerthalle ist schon ein Ereignis für sich. Sie teilt den Innenraum von den Oberrängen durch zwei Etagen mit Club-Lounges, so eine Art Riesenlogen, und damit alle etwas von der Bühne sehen können, hängt in der Mitte oben ein „Riesenfernsehgerät“ mit Bildschirmen nach hinten, nach links und nach rechts. Zumeist gibt es da Udo Jürgens in Großaufnahmen, vielfach aber auch Schwenks zu den Musikern und Mitsolisten. Udo Jürgens ist nach wie vor (und mit mittlerweile 75 Jahren fast unbeschreiblich zäh) der wohl größte Entertainer zumindest des deutschsprachigen Raums. Das Konzertprogramm „Einfach ich“ will gehört werden, von Anfang an macht der lockere und souveräne Udo dies in Liedabfolge, Einleitungsworten und Arrangementkonzeption klar. Nach dem eröffnenden Orchestermedley, wo die Leute bereits ihre phänomenale Fähigkeit, sekundengenau zwischen Mitklatschteilen und Zuhörabschnitten zu differenzieren, quasi testen können, stellt sich Udo musikalisch erzählend vor: „Einfach ich“. Und nur ein paar Begrüßungsworte leiten ohne musikalische Unterbrechung direkt zum „Tanz auf dem Vulkan“. Erst danach erinnert sich Udo an sein erstes größeres Konzert in Gürzenich, an die späteren Abende in der Sporthalle, und die Demut klingt durch, wenn er dankbar darauf verweist, im Rahmen dieser Tournee bereits zum zweiten Mal diese riesige Arena bespielen zu können. Das große Liebeslied „Stärker als wir“ präsentiert den Romantiker mit Sinn für große melodische Bögen. Udo spricht über „Gewinnoptimierung“, und wenn er erzählt, ist es mucksmäuschenstill in der Arena, als wäre man in einem kleinen Konzertsaal. Nach der „Fehlbilanz“ mit rockigeren Klängen, aber auch den so typischen erzählenden Rubatoabschnitten, entführt Udo uns in die Welt der einsamen Countrysänger: „Letzte Ausfahrt Richtung Liebe“. Schön, wie er jeden Solisten aus dem großartigen, für diese Tournee aufgestockten Orchester Pepe Lienhard hervorhebt. Ganz toll ist etwa gleich das vertiefende Flügelhornsolo beim „Narrenschiff“. Kurzes Innehalten, „Nur ein Liebeslied“. Und sofort muntert die „Tante Emma“, Udos Bekenntnis für die kleinen Delikateßläden, ordentlich auf, ehe Udo eine nach der Bundestagswahl aktualisierte Bilanz in „Alles im Griff“ zieht, hier aber auch nicht die Banker und die Schweinegrippe vergessend. Und das Publikum singt nur allzu gern beim Refrain mit. Grandioser Höhepunkt des ersten Teils wird das zum symphonischen Rocksong ausgebaute „Die Schwalben fliegen hoch“. Allein wie Udo und das Orchester am Ende noch einmal zu einer letzten Steigerung ansetzen, das sind jene magischen Konzertmomente, in denen einem geradezu die Tränen kommen müsen. Nach dem eröffnenden „Einfach ich“ Intro präsentiert sich der zweite Teil vielfach internationeler. Udo Jürgens verhehlt musikalisch nicht, woher seine Vorbilder kommen: aus dem großen amerikanischen Entertainment. Wenn Billy Kudjoe sich (zusammen mit dem noch sitzenden Udo) aus dem Swing „Schenk mir noch eine Stunde“ mit „Singin´ in the Rain“ singend und steppend entpuppt und diese Nummer im klassischen Bigbandsound, jetzt im Gleichschritt von Udo und Billy getanzt, uns mitten nach Las Vegas entführt, dann liegt der Zauber ganz großer Show in der Luft. „Mein größter Wunsch“ wurde durch „Gib mir deine Angst“ ersetzt, diese Nummer passt sehr gut hier. Udo erzählt, wie er neulich mit Pepe ins Kino gehen wollte und auf der Straße erschrak, weil er sein Handy vergessen hatte, und er betont, dass wir das Handy zu wichtig nehmen: „Völlig vernetzt“! Dann weiter mit den Vorbildern, mit der Vereinigung großer europäischer und amerikanischer Songkultur: „Nur ein Lächeln“ verschmilzt mit Charlie Chaplins „Smile“, gesungen von Stevie Woods. Zu den ersten Takten von „Jetzt oder nie“ stürmen die Partyfans vor die Bühne, es läuft reibungslos ab, Udo kommentiert dies überhaupt nicht, es ist „part of the show“. Er nimmt die Stimmung nachdenklich zurück mit „Was ist das für ein Land“ und wechselt daraus direkt in das enorm emotional ausgesungene Bekenntnis „Ich bin dafür“. Und jetzt landen wir vollends in New York, auch wenn das Lied „Ich war noch niemals in New York“ nur den unerfüllten Traum davon formuliert. Denn der darin eingebettete „New York“ Showblock und die ganze Stimmung in der Halle bei diesem Konzertteil ist einmal mehr „very best of entertainment“. Die neue blonde, deutsche Sängerin bei „Downtown“ fügt sich großartig ins Ensemble. Hat man bei „Ich war noch niemals in New York“ noch leise in den Strophen oder heiterer im Refrain mitgesungen, so tut es die Arena nun lautstark, denn es gibt „Ein ehrenwertes Haus“ mit voller Power. Und die Stimmung wird nach der „Einfach ich“ Reprise noch einmal angeheizt mit dem Hitmedley „Aber bitte mit Sahne“ / „“Griechischer Wein“ und „Mit 66 Jahren“. Da mutiert die Arena wirklich zum Stadion. Der große Song „Deinetwegen“ macht den würdigen Konzertabschluß und ermöglicht Udo den adäquaten Abgang des Entertainers. Udo singt wirklich zweimal dezidiert „Ich bin nie der der ihr meint“ und „verlangt“ somit, vom Hörer mitgedacht zu wollen „dass ich bin“. Als aufheiternde Zugabe mit Orchester gibt es „Merry Christmas allerseits“, und das Bademantelfinale bringt die Klassiker „Siebzehn Jahr, blondes Haar“ (Udo singt „Ich träum von Liebe, doch leider nur im Traum“, also in der Wirklichkeit träumt er nicht davon?), „Zeig mir den Platz an der Sonne“, „Merci Cherie“ und „Liebe ohne Lieden“, wobei Udo dem Publikum am Ende „Du-du-du-du-du-duuu“ zum Singen mitgibt, was viele in Köln gerne aufnehmen, als die Lichter angehen und Udo die Blumensträuße vom Klavier nimmt und winkend die Bühne verläßt, und was die großartig harmonisierte Stimmung nach diesem in jeder Hinsicht überwältigenden Konzert unterstreicht. Aber Udo hat noch einen speziellen Schlusspunkt für das Kölner Partypublikum parat. Nein, leider singt er kein Lied mehr als er wieder herauskommt, aber er wirft seinen Bademantel ins Volk.
Udo Jürgens: Der für mich größte lebende Entertainer - und auch der größte österreichische Komponist der Gegenwart