Hi,
in ebendiesem Jahr des Prager Frühlings, 1968, wurde auch Udo's erste und einzige Langspielplatte in der CSSR veröffentlicht.
In der tschechoslovakischen Zeitschrift "Melodie" gab es seinerzeit dazu eine Plattenkritik, geschrieben von Jiří Černý:

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Ich habe mir mal die Mühe gemacht, den Text so gut es ging ins Deutsche zu übersetzen:
UDO JÜRGENS
Tausend Fenster - Aber du glaubst an
mich - Mon amour, la rose, mon amour
- Morgen bist du nicht mehr allein -
Jeder Traum geht zu Ende - Cotton
Fields - Dein letzter Brief - Adagio -
Johnny Boy - Yesterday - In dieser
Welt - Was ich dir sagen will. Gesang
Udo Jürgens, es spielen Alain Goraguer
und Robert Opratko mit ihren Orchestern.
Supraphon mono 0 13 0527, stereo 1 13 0527.
"Worüber würden Sie singen, wenn es keine Frauen gäbe?" - fragte ich Udo Jürgens im Juni 1966 und dachte dabei nicht nur an seine Texte, sondern auch an seine Melodien, ausgehend von der Musik der Romantik bis hin zum deutschen Schlager, sowie an seine leidenschaftliche Stimme.
Er dachte einen Moment nach. Dann antwortete er bestimmt: "Dann würde ich gar nicht singen."
Darin besteht der Schlüssel zu Udo Jürgens: zu glauben, es so machen zu müssen wie ein Operettentenor, der an seine Operette glaubt, weil er nichts falsch machen möchte.
Ich verstehe auch die Menschen, die diese Jürgensche Sentimentalität abstößt.
Mich persönlich reißt dieser Österreicher aber mit, und es reicht mir auch nicht aus, darüber kritisch zu urteilen.
Wobei ich allerdings finde, was seine Platte betrifft, daß bestimmte Höhen etwas unangenehm klingen (Jeder Traum geht zu Ende; Johnny Boy) und einmal auch die Musik (Mon amour, la rose, mon amour): dieser Titel erinnert eher an eine Zeit, in der Jürgens noch ohne großen Erfolg war.
Aber Gesang, Arrangement und Repertoire - dies alles entspricht Jürgens, es elektrisiert uns, eine überraschende Harmonie von Beat und Melodie.
In "Yesterday" klingen, verglichen zu McCartney, mehr Demut und Erwartung durch, oder sein Titel "Cotton Fields", welcher ebenfalls keinen deutschen Ursprung hat.
Mir stellt sich nur die Frage, wie es weitergeht mit dieser Form von Dramaturgie, Begleittext und besonderer Verpackung.
Wer wählt die Lieder aus (?), so die Überlegung, da Jürgens nun schon viele Male bei uns auftrat und nach seinen Singles nun die erste LP erschienen ist.
Die Auswahl ist nicht gelungen, es ist in meinen Augen weder das Beste, noch stimmt die Zusammenstellung.
Weshalb eine Wiederholung des Single-Titels "Was ich dir sagen will"?
Warum wurden nicht Hits wie "Jenny" oder "Warum nur, warum" berücksichtigt, obwohl Stanislav Titzl sie in seinem dazu geschriebenen Text erwähnt?
Der Text enthält keinen Verweis zu einer Platte (Supraphon: Der Text entstand bereits vor der Platte), andere Aufnahmen von Jürgens werden weder beachtet noch gewürdigt (daher auch die Entwicklung zur "schrecklichen Schnulze", die sich bis heute nicht geändert hat), und konzentriert sich nur auf die Karriere des Sängers in Form von Terminen, Wettbewerben, Titeln und Zitaten.
Dieses Ziel erreicht er mit einigen kleinen Tippfehlern (Jürgens wurde im Jahre 1934 geboren; seine Frau heißt Panja) und stilistischen Feinheiten (fünf von sieben Absätzen beginnen mit: Udo Jürgens).
"Seelentrauer" spricht aus dem Cover: Eine Kombination aus barockem Rahmen mit einem unbeschreiblichen Blau und weißen Ornamenten verbindet sich irgendwie zu einem Gesamtwerk. (Was ist auf der Platte so aktuell, das eine solche Eile rechtfertigen konnte?)
Die einfachste Aufgabe hatte der Setzer, welcher den Titeltext so "brechen" mußte, daß die Buchstaben auf der Anschlußhülle das Wort "řeka" (= Fluß) ergaben.
Aber vergessen wir das... und kommen zum aktuellsten Titel "Tausend Fenster".
Bereits im Vergleich mit der deutschen und tschechischen Karel Gott Version ergibt sich die Erkenntnis (zumindest mir), daß selbst die schönsten Stimmen Jürgen's Lieder nicht so überzeugend rüberbringen können, wie der Autor selbst.
Udo Jürgens hat seinen eigenen, von allen Seiten abgeschlossenen Stil entwickelt.
Jiří Černý
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Wie man sieht: Auch damals gab es schon Diskussionen um die Auswahl seiner Titel...
Eine andere Ausgabe dieser Zeitschrift zeigt auf der Rückseite ein Foto von der Musik-Messe "MIDEM" aus Cannes (ebenfalls 196

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Neben Udo war dort übrigens auch Marta Kubišová sehr erfolgreich.
Zusammen mit Václav Neckář und Helena Vondráčková wurde sie anschließend für das Pariser Olympia engagiert, wo ja auch Udo große Erfolge feiern durfte.
So schließt sich also wieder der Kreis...
Für das Bereitstellen der Scans und anderer wichtiger Informationen möchte ich mich recht herzlich bei André Kaiser (DJ Herr Kaiser vom KLUB MARTA) bedanken.
MfG,
Thomas2