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Sonntag, 19. Februar 2012, 22:31

Udos Silvesterauftritt: Mit Peter Wagners HITMIX ins Jahr 2012 oder: Wann endlich ist Schluss mit den "Billig-Medleys"?

Auch wenn Silvester und Udos Auftritt bereits einige Wochen zurückliegen, möchte ich mich noch zur Sache äußern und zur Diskussion anregen.

Sicherlich: Silvester-Sendungen im Fernsehen sind wohl grundsätzlich von geringer künstlerischer Relevanz, haben wohl auch nur die Aufgabe, unterhaltend den Jahreswechsel zu begleiten und dabei die Geschmäcker eines breiten Publikums zu berücksichtigen. Auch andere Akteure treten dort mit Vollplayback auf – im Extremfall singen Vertreter der „Oldie-Fraktion“ mit jugendlichen Stimmen zu uralten Aufnahmen. Ich verstehe auch die Mechanismen der Musikbranche und die für Manchen unvermeidbaren Zugeständnisse und Zwänge der Musikindustrie.

Dennoch ist es für mich zweifelhaft, Udo bei einem solchen Auftritt zu sehen. Damit meine ich weniger das Vollplayback – auch wenn ein Soloauftritt am Flügel sicherlich authentischer und stimmungsvoller gewesen wäre und Udo und seinem Werk würdiger (!) entsprochen hätte (sicherlich gibt es dafür, dass ein Live-Auftritt solo oder mit Orchester nicht realisiert wurde, sachliche Gründe – die Vorgaben der Veranstalter, die Akustik vor Ort, was auch immer).

Unsäglich finde ich viel mehr a.), dass man ein Playback offenbar aus unterschiedlichen Jahren zusammenschusterte ["Handwerkerehre"?] und b.), dass hier wieder der Wagnersche Stampfrhythmus zum Einsatz kam - wenn auch nicht in so extremer Ausprägung, wie bei den Sahne-Mixes der 90er Jahre. Dieser Stampfrhythmus, diese Billigproduktionen waren in meinen Augen mit der größte Irrtum der 90er Jahre - Wagner und in der Konsequenz auch Udo waren offenbar der Auffassung, dieser Sound sei zeitgemäß und modern. Ich aber habe diesen Stampfrhythmus so auch in den 90ern nur bei DJ Ötzi, der Mallorca-Fraktion und den Altstars des deutschen Schlagers (Bernhard Brink, Ireen Sheer & Co.) gehört. Weder deutsche noch internationale Acts haben nach meiner Auffassung mit diesen Sounds gearbeitet. Die Kriterien von Qualität und Substanz einer Produktion könnte man zur Beurteilung auch noch heranziehen…

Als Folge sehe ich zunächst, dass Udo seine Klassiker mit solchen "Billig-Medleys" selber entwertet. Durch die „Qualität“ der Produktion werden die zum Teil wunderbaren Klassiker und Chansons in der Konsequenz an das Niveau von DJ Ötzi und Après-Ski-Hits angeglichen. Diejenigen, die in Udo einen unterm Strich besseren Schlagersänger sehen, fühlen sich bestätigt. Zudem: Auch solche Auftritte sind nach meiner Auffassung dafür mitverantwortlich, dass Konzertbesucher aus der Spaßfraktion, die ungeduldig auf die alten Hits warten, Party machen wollen, gelegentlich auch in melancholische oder/ und tiefgängige Lieder hineingrölen, dass solche Konzertbesucher auch künftig – zumindest gelegentlich – das Konzerterlebnis der Anderen stören.

Eigentlich hatte ich gehofft, der Sahne-Mix-Sound sei bereits im Giftschrank entsorgt worden - nachdem er die öffentlichen Auftritte der 90er Jahre zu oft prägte. Die bei einer Erklärung der Sahne-Mix-Sounds von offizieller Seite zu erwartenden Argumente des kaufmännischen Erfolgs und des musikalischen Zeitgeistes empfinde ich als unzureichend bzw. sachlich falsch.
Daher rege ich nochmals an: Giftschrank auf, Sahne-Mix rein!

Über eine rege Diskussion würde ich mich freuen.

Gruß, Martin

Dieser Beitrag wurde bereits 2 mal editiert, zuletzt von »Martin« (21. Februar 2012, 23:29) aus folgendem Grund: -


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Montag, 20. Februar 2012, 16:58

Martin, Dir gebe ich Recht.
Freunde von mir, die vor Ort waren, aber keine ausgewiesenen UJ-Fans sind, fanden den Auftritt hingegen toll.
Nun ja.

3

Montag, 20. Februar 2012, 18:15

Hallo Martin,

auch ich kann dir da aus meiner Sicht nur beipflichten!
In den meisten Fällen ist die Originalversion fast immer die beste gewesen (was die Studioaufnahmen betrifft).
Allein schon das Spiel mit der Lautstärke, welches Lieder wie "Peace Now" oder "Indra" (besonders die englische Version) zu einem ganz besonderen Klangerlebnis machen, kennt man heutzutage kaum noch.
Eine Ausnahme möchte ich dennoch machen, und diese bezieht sich auf die Heider-Ära.
Mit der Disco-Version von "17 Jahr, blondes Haar" ("17 Jahr, blondes Haar '77" / "Wayward Girl") und "Sag' mir wie" hatte Heider etwas erreicht, was ich damals kaum für möglich gehalten hatte:
Er hatte einen Sound geschaffen, der diese Titel in ein neues, moderneres Gewand hüllte, welches dem Original zumindest ebenbürtig war.
Und es kam an! Soweit ich mich erinnere, wurde damals diese Disco-Version (und nur diese!) in den Radioanstalten praktisch "rauf und runter" gespielt.
Sicherlich erhielten beide Lieder durch das neue Arrangement notgedrungen auch einen etwas anderen Charakter - aber wiegesagt - für mich war es dennoch eindeutig eine Bereicherung und keine Abwertung, was ich von den späteren Neuaufnahmen leider nicht immer sagen kann.
Natürlich mag dies alles Geschmackssache sein, aber ich glaube, wir sind wohl nicht die einzigen, die so denken...

MfG,
Thomas2

4

Montag, 20. Februar 2012, 23:21

Hallo Martin,

auch ich kann Dir nur beipflichten. Ich weiß zwar nicht, ob Herr Wagner auch für den gruseligen Silvester-Sahne-Mix zuständig ist - aber der Mix trägt in der Tat seine Handschrift - leider. Ich persönlich fand diesen Silvester-(sozusagen "Zweite-Sahne-)Mix sogar NOCH schlimmer als den 90-er-Sahne-Mix, weil dort alles mögliche durcheinander geschmissen wurde - im "Erste-Sahne-Mix wurde der "BummBummBallermann"-Rhythmus wenigstens konsequent durchgezogen. Angesichts der bevorstehenden Tour wollte ich zum Jahreswechsel nicht wieder "rumstänkern", bin aber dankbar, dass Du das nun getan hast, weil das, was Du schreibst, leider soo zutrifft: Solche Vollplayback-Humtata-Grusel-Auftritte manifestieren Udos Schlagersänger-Image. Du schreibst ganz richtig, dass solche Auftritte eben auch dazu führen, dass es vereinzelt Fans gibt, die von einem Udo-Konzert einen fröhlichen Schunkel-Sauf-Mitgröhl-Abend der Marke "Flippers" oder "Amigos" erwarten und dann womöglich ganz enttäuscht sind.

Was mir auch sehr gefällt ist, dass Du die unsinnigen und inhaltleeren Gegen-Argumente gleich mitlieferst und damit in meinen Augen direkt aushebelst.

Bevor wir aber auf dem armen Herrn Wagner herumhacken, sollte erst geklärt werden, ob der wirklich für den Silvester-Mix zuständig war, weil der so schlecht war, dass ich fast vermute, dass da irgendein ZDF-Ton-Ingenieur mit ner Billig-Software sein Glück versucht hat? Oder ist verbrieft, dass Udos Produzent einen erneuten - nennen wir es "Meilenstein" gesetzt hat?

Nebenbei bemerkt - Udo stundenlang einen Monat vor Tournée-Beginn in bibbernder Kälte frieren zu lassen, könnte auch ein nicht sehr cleverer Schachzug gewesen sein - sicher, seine Grippe übermannte ihn erst Wochen später - dennoch frage ich mich, ob der Bibber-Auftritt neben dem Image-Schaden nicht auch gesundheitliche Folgen gehabt haben könnte - aber das ist reine Spekulation...

Thomas'2 Meinung über Heider - ich kenne da jemanden, der sich da (wie ich finde zurecht) sehr bestätigt fühlt - schade, dass er nach wie vor nicht den Carpendale geben mag :S

Danke an Martin für diesen fundierten Beitrag sagt

Stephan

5

Dienstag, 21. Februar 2012, 22:43

Stephan, ich glaube nicht, daß UJ stundenlang in der Kälte bibbern mußte.
Solche Veranstaltungen sind am Tag der Aufführung minuten-, ja fast sekundengenau durchgetaktet.
Und für die Darsteller, speziell die VIPs, gibt es immer ganz in der Nähe gut beheizte Aufenthaltsräume mit lecker Buffet.
Auch daran dürfte es in Berlin am Brandenburger Tor nicht gefehlt haben.
UJ hat ja nicht zufällig kurz vor dem Jahreswechsel gesungen, das war genau so gewollt - als Höhepunkt des alten Jahres, vor dem kollektiven "Prosit Neujahr". Leider war der Hitmix alles andere als ein Highlight.

6

Dienstag, 21. Februar 2012, 23:25

Sorry, Achim - "stundenlang" - ja, das war vermutlich deutlich übertrieben - stimmt - andrerseits glaube ich schon, dass Udos nicht nur während des Auftritts herauskam- das ist aber auch nebensächlich. Entscheidend ist, worüber wohl allgemeine EInigkeit besteht: Der Auftritt war nicht förderlich -um es mal vornehm auszudrücken...

7

Mittwoch, 22. Februar 2012, 00:02

Hallo,

tja, und genau deshalb hatte ich an dem bewußten Abend dann auch wieder auf die 66er Silvester-Gala "Es funkeln die Sterne" zurück geswitcht und konnte Udos damaligen Auftritt mit "Nobody Knows" und "Maria" nach 00.00 Uhr praktisch auch noch "live" miterleben - die Aufzeichnung lief eh schon.
Zu Beginn der Sendung hatte man zwar den kompletten ersten Teil ("Zu Gast bei Caterina Valente") unterschlagen, die "musikalische Weltreise" aber in voller Länge gezeigt.
Und somit war es dann doch noch ein versöhnlicher Jahresausklang geworden...

MfG,
Thomas2

8

Mittwoch, 29. Februar 2012, 20:29

Vielen Dank für die Beiträge in dieser Debatte !

Als Kern dieses Themas sehe ich die Personalie "Peter Wagner"; für mich ist Peter Wagner seit mehr als 15 Jahren - trotz der letzten, unerwartet guten Albumproduktion - das zentrale Thema im Zusammenhang mit Udo Jürgens.

Einzelne User dürften es kritisch sehen, wenn während einer Tournee eine solch kritische Diskussion geführt würde, bei der neben wohlwollenden Beiträgen sicherlich auch scharfe Kritik zu erwarten wäre. Daher werde ich, sofern mir andere nicht zuvorkommen, zu Peter Wagner zu einem anderen Zeitpunkt - zwischen Frühjahr und Herbst - nochmals eine Diskussion anstoßen.

Gruß, Martin

9

Mittwoch, 29. Februar 2012, 21:11

Bitte rechtzeitig vor der Herbsttournee ...