Heute wurde ein schöner Auszug dieses Magazins auf der Website der
Kleinen Zeitung veröffentlicht:
Billy Todzo erinnert sich - "Lebe wohl, mein Herz wird scheiden"
Udo Jürgens ist am 21. Dezember 2014 in den Armen seines Freundes, Musikers und Chauffeurs Billy Todzo gestorben. Wir haben ihn in Zürich besucht.
Ein Bild sagt mehr als tausend Worte. Natürlich ist das ein ausgelatschter Satz, der schon Blasen an den Füßen hat. Doch dieses Foto ist so wunderbar beredt, dass man die Blasen verschmerzt. Es zeigt: Billy Todzo und Udo Jürgens. Man sieht: zwei fröhliche Menschen, die sich an den Händen halten und ein flottes Tänzchen aufs Küchenparkett legen. Man spürt: Vertrautheit zwischen zwei Menschen, kindliche Ausgelassenheit, Spaß am Leben. Unbeschwertes Dokument eines kurzen Augenblicks, das Fotopapier vergilbt, die Erinnerung nicht.
Das Foto hängt im Wohnzimmer von Billy Todzo in Zürich. Der helle Raum atmet Ruhe aus, der Mensch darin freundliche Gelassenheit. Die ganz persönliche Lebensgeschichte von Billy Todzo wird später zu erzählen sein, jetzt geht es um den Tod. Jenen von Udo Jürgens. Billy Todzo ist jener Mann, der Schlagzeilen so schwer wie Mühlsteine umgehängt bekam, weil er jener Mann war, in dessen Armen Udo Jürgens starb.
Sein Tod ist noch immer präsent
Es war in Gottlieben. Was für ein Ortsname, könnte man jetzt sagen, was für ein Zeichen! Wen Gott liebt, den holt er gnädig ab. Die Fakten: Gottlieben liegt am Ufer des Seerheins. 306 Einwohner, Künstlerkolonie. Hesse war hier. Udo Jürgens auch. Oft und gerne. Auch am 21. Dezember 2014. Ein Gasthausbesuch, ein Spaziergang an der Uferpromenade. Ein winterlicher Sonntagnachmittag. Tourneepause für Jürgens, dann passierte es.
Billy Todzo ist ein Mensch mit großem, offenem Lächeln und noch größerem Respekt. Respekt vor dem Leben, Respekt vor dem Tod. Die Schlagzeilen-Mühlsteine belasten ihn heute noch. So viel wurde geschrieben, so viel dazugedichtet, so viel gelogen. "Deshalb werde ich Ihnen jetzt nicht detailliert erzählen, wie Udo gestorben ist, das gehört sich einfach nicht. Billy Todzo sagt nur: "Es gab keine Vorankündigungen, es gab keine Schwächen. Udo sackt in meinen Armen zusammen, und ich spüre, wie die Luft, das Leben aus ihm weicht. Das muss reichen."
Die letzten Sätze spricht Billy Todzo in der Gegenwart. So präsent ist Gottlieben noch heute, so präsent der Tod eines Menschen, der wohl nie Vergangenheit sein wird.
Billy Todzo. Ein Mann, der aus dem Nichts kam.
"Ich bin Musiker, ich komme aus Ghana. Meine erste Station in Europa war Rom. Aber ich wollte Schnee sehen."
Er stieg in den Zug nach Zürich.
"Ich bin im Dezember 1977 angekommen. Und es war kalt, so kalt. Meine Hände, mein Gesicht gefroren. Ich bin durch die Stadt gelaufen. Und es gab keine dunkelhäutigen Menschen damals in Zürich."
Billy Todzo hatte 210 US-Dollar in der Tasche. Er war 26 Jahre alt.
"Ich stand in meinem Sommeranzug vor einer Boutique, und der Eigentümer hat mich hineingewinkt. Er hat mir Tee serviert und eine Winterjacke geschenkt."
Später ging Billy Todzo auf ein Polizeipräsidium und sagte, dass er in Zürich leben möchte.
"Die haben sich kaputtgelacht. Aber ich habe gesagt: ,Ich bin Musiker.' Da hat ein Polizist das Telefonbuch genommen und mir die Nummern von drei Musikagenturen aufgeschrieben. Der Manager einer Agentur hatte ein Orchester. Das war mein erstes Engagement. Wir haben überall gespielt. In Marokko, in Deutschland, in Italien. Und in Norwegen."
Dort, in Oslo, kam es im Jahr 1978 zu jenem Treffen, das für Billy Todzo den endgültigen Temperaturwechsel vom Kalten ins Warme bedeuten sollte.
"Pepe Lienhard spielte auch in der Stadt. Er hörte mich, wir redeten, wir jammten. Mein erster Auftritt mit ihm war auf dem Playboy-Ball von Gunter Sachs in München. Wunderbar! Kurz darauf hat Pepe zu mir gesagt: ,Heute begleiten wir einen großen Künstler.' Ich habe gesagt: ,Okay.'"
Der Künstler hieß Udo Jürgens.
Zurück in die Zürcher Gegenwart. Wieder ist es ein Sonntagnachmittag. Der Himmel trägt die Farbe von blauen Geldscheinen, am See klimpert das Kapital. Aus dem Udo-Jürgens-Musiker wurde bald ein Begleiter, aus dem Begleiter ein Vertrauter, aus dem Vertrauten ein Freund; auch das ein Wort, das Blasen an den Füßen hat.
"Aber ich war tatsächlich sein Freund, nicht nur sein Angestellter. Das ist keine Behauptung, sondern eine Empfindung, die wir beide geteilt haben."
Dass Billy Todzo seit 2007 auch der Chauffeur von Udo Jürgens war, ist ein schönes Bild. Es sagt: Wer mich in A abholt, dem muss ich vertrauen können, dass er mich sicher in B abliefert.
"Udo hat im Auto gesungen und ich habe auf dem Lenkrad dazu getrommelt."
Wie Wellen rollen die kleinen Geschichten der Reminiszenz auf Billy Todzo zu. Es waren Fahrten durch dick und dünn; durch lichtdurchflutete Tage und krähenschwarze Nächte. Letztere auch für Billy Todzo.
"Als ich schwer erkrankt bin, hatte Udo schlaflose Nächte. Immer wieder rief er mich mitten in der Nacht an. ,Wir finden eine Lösung, Billy', hat er zu mir gesagt. Ich vermisse ihn. Seine Präsenz, seine Aura. Ich spreche ihn nicht heilig, denn das war er nicht. Aber er war ein guter Mann. Kurz vor seinem Tod hat er gesagt: ,Billy, zu deinem 65. Geburtstag werden wir den Spieß umdrehen und ich bin dein Chauffeur.' Dazu ist es leider nicht mehr gekommen."
Bis jetzt war es still in diesem Raum. Nur die Erinnerungen von Billy Todzo haben ganz leise die Flügel ausgebreitet. Jetzt geht Billy zum CD-Player und legt eine Udo-Scheibe hinein.
"Mein Lieblingslied von Udo heißt ,Lebe wohl, mein halbes Leben'."
Der Text geht so:
"Lebe wohl, mein halbes Leben
Heute geben wir uns frei.
Lebe wohl, mein Herz
Wir scheiden
Doch wir leiden nicht dabei.
Lass uns gute Freunde bleiben
Uns besuchen, Briefe schreiben.
Wenn wir auseinandertreiben
Dann bitte nicht zu weit
Bis zum Abend unsrer Zeit.
Lebe wohl, mein halbes Leben
Wenn wir auseinanderstreben
Lass uns immer Hilfe geben
Wenn das Herz um Hilfe schreit.
Bis zum Abend unsrer Zeit."
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