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Sonntag, 3. Januar 2016, 16:49

"Der Mann, den sie Bruder nennen"

Ein aktueller Bericht auf zeit.de über Manfred Bockelmann:



Der Mann, den sie Bruder nennen

Manfred Bockelmann ist Maler. Niemand sonst war dem Sänger Udo Jürgens, der vor einem Jahr starb, so nah.

Wer ihn ansieht, blickt auch in das Gesicht des Bruders. Manfred Bockelmann hat die gleichen Augen, die markante Nase, diese Eigenart, aus voller Seele zu lachen, dass sich der Körper biegt. Und dann kommt diese Stimme dazu! Kärntnerisch eingefärbt, warm und melodiös, wie die seines Bruders auch gewesen ist. Wenn ihm das Herz übergeht vor lauter Freude oder vor schierem Erstaunen, dann ist "unfassbar" der Begriff, den er gebraucht. Das hat sein Bruder auch ganz oft gesagt zu seinem Leben. "Unfassbar!"

Auch Manfred Bockelmann, 72, ist Künstler. In einem seiner Lieder singt Udo Jürgens über ihn: "Mein Bruder ist ein Maler, ich bin nur ein Musikant, und in manchen Träumen, da beneid ich ihn." Entstanden ist das Stück nach einer langen Nacht, in der die beiden Brüder über die Spuren nachgedacht haben, die man nach dem Tod hinterlässt. Was bleibt?

Mit seinen Bildern hinterlasse ein Maler etwas Unvergängliches, die Lieder eines Sängers dagegen verflüchtigten sich mit der Zeit. Udo hat das so gesehen, deshalb seinen Bruder bewundert. Manfred hat zu bedenken gegeben, dass es bei Konzerten seines Bruders vorkomme, dass Frauen vor Glück in Ohnmacht fielen, und er Derartiges bei seiner Arbeit noch nicht erlebt habe. "Mir passiert das nie, dass einer vor einem Bild steht und applaudiert oder in Tränen ausbricht." So entstand vor dreißig Jahren dieses Lied. Das Stück ist ein Klassiker, aber bekannter hat es den Namen des Künstlers Manfred Bockelmann nicht gemacht.

In dem Lied gibt es die Strophe: "Wenn seine Frau mal traurig ist, malt er ihr Orchideen und seinem Kind, das weint, den Clown, der Lachen schenkt." Musste das wirklich sein? Er habe noch nie einen Clown gemalt, sagt Bockelmann. Sollten die Leute glauben, dieser Bruder male so, wie Udo den griechischen Wein besingt? Taugt jeder Satz zu einem Lied? Es gibt Texte, an denen er gerne noch etwas radiert hätte.

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Sonntag, 3. Januar 2016, 16:51

Es habe Galeristen gegeben, die sich gesagt hätten: "Finger weg von Bockelmann – wenn wir den ausstellen, kommen die Leute nur, weil sie den Bruder von Udo Jürgens sehen wollen." Manfred Bockelmann hat es ausgehalten. "Das Lied ist Ausdruck seiner Zuneigung", sagt er, "dafür bin ich ihm immer dankbar. Ansonsten wäre es mir fast lieber gewesen, er hätte es nie gespielt."

Sie sind drei Brüder, die auf Schloss Ottmanach, dem elterlichen Anwesen in der Gemeinde Magdalensberg am Rand von Klagenfurt, aufwachsen. Eine behütete Kindheit abseits der Stadt. "Kärnten-Land" sagen die Einheimischen. Wer hier groß wird, der muss irgendwann den Hof übernehmen. Aber diese Brüder schlagen alle auf ihre Weise aus der Art. John, der Erstgeborene, drei Jahre älter als Udo, ist ein sportlicher Typ, ein Hüne von Gestalt. Er studiert, macht aus der Sicht besorgter Eltern alles richtig, beginnt eine Karriere als Manager bei BP.

Auch Udo Jürgen Bockelmann will beruflich nicht in die Landwirtschaft, ebenso wenig Manfred. Der Jüngste plant sein Leben nicht bis ins Detail. Er weiß nur eins: bloß nichts mit einem Klavier. Das ist Udos Sache, der schon als Kind mit seiner Musik allen anderen in der Familie weit voraus ist.

Manfred ist neun Jahre jünger als sein Bruder. Neun Jahre sind eine ganze Menge, "anfänglich ist der Altersunterschied zu groß, aber ab zwanzig verspielt sich das". In Graz studiert er vier Jahre lang Freskomalerei, Grafik und Fotografie. Um dem Wehrdienst in Österreich zu entgehen, zieht Bockelmann nach München, für die Fahrt bindet er die Staffelei auf das Dach seines VW Käfers. Mit einem Fotoapparat seiner Mutter hält er die Auftritte seines Bruders fest, Udos erste Plattencover entstehen. Er fotografiert Schauspieler, Statisten der Bavaria-Studios, die Bilder für ihre Setkarte brauchen.

Bockelmann tut sich mit einem Germanistik-Studenten zusammen, der Texte zu seinen Fotos schreiben soll. Reportagen entstehen, die beiden besuchen ein Männergefängnis in Berlin, das von einer Frau geleitet wird. Bockelmann macht Fotos von Zellenfenstern, aus denen die Hände der Gefangenen herausragen. Das Geschäft geht gut, in den Illustrierten damals finden die Geschichten ihren Markt.

Manfred und Udo werden beste Freunde. Der eine weiß alles über den andern. Zu John Bockelmann, dem Ältesten, haben sie über viele Jahre kaum noch Kontakt. Der macht seine Karriere, das Künstlerleben ist ihm fremd. Er bietet Manfred einen Job als Grafiker bei BP an, sicher ist doch sicher. Als der lachend ablehnt, kommt es zum Bruch: "BP ist dir nicht genug – was glaubst du, wer du bist?"

Udo Jürgens startet seine Weltkarriere, lässt sich in Kitzbühel nieder. Jahre eines süßen Lebens. Wenn Udo wieder eine Freundin nach Hause schickt, dann bringt Manfred sie zum Bahnhof. Er spricht mit Udo, kritisiert seinen Lebenswandel, das Chaos in seinen Beziehungen, der hört ihm zu, allmählich wird Manfred zum älteren Bruder. Udo beneidet ihn. Ein solches Leben hätte ihm auch gefallen. Das behauptet er jedenfalls.

Privat zu sein, wo man es will. Als Künstler zu arbeiten, nicht vor aller Welt auf eine Bühne zu treten, sondern an einer Staffelei zu stehen, nur umgeben von der Familie. Hat sich Udo das wirklich gewünscht? Ja. "Er hat mich darum mehr beneidet als ich ihn um seine großen Erfolge."

Was habe ich aus meinem Leben gemacht? Diese Frage begleitet sie. Sind die Eltern zufrieden? Machen wir sie stolz? Diese Anerkennung ist den Brüdern wichtig gewesen. Bei Gelegenheit hat Udo Jürgens davon erzählt, dass er seine Eltern für ein paar Tage nach Berlin eingeladen habe. Für Plattenaufnahmen spielen die Berliner Philharmoniker mit Udo Jürgens am Flügel. Die Eltern haben nichts geahnt, sie sind die einzigen Zuschauer in der Philharmonie. Der Sohn blickt von den Noten auf, sieht aus den Augenwinkeln, wie sein Vater zu weinen beginnt. "Unfassbar!"

Manfred Bockelmann erfährt "einen künstlerischen Ritterschlag", als er 1971 in Zürich dem Künstler Friedensreich Hundertwasser begegnet. Zugute kommt ihm dabei, dass er die Egozentrik anderer aushält, da ist Bockelmann auf bemerkenswerte Weise belastbar. Hundertwasser verlangt ihm einiges ab. Sie treffen sich morgens um sechs zum Frühstück, das sie schweigend einnehmen. Danach ein wortloser Spaziergang durch die Altstadt von Zürich, bei dem Hundertwasser verschiedene Schuhe und Strümpfe trägt sowie eine gestreifte Hose mit roten Flicken. "Der Typ ist ein Wahnsinnsmotiv", Bockelmann bittet um die Erlaubnis, ihn fotografieren zu dürfen. Hundertwasser gestattet es, ermahnt Bockelmann aber, "dass unser gemeinsames Ziel weiter sein sollte, die Welt zu retten".

Also machen sie sich auf den Weg. Bei einer Landpartie durch Bayern stoppt Hundertwasser seinen froschgrünen Citroën in einer Allee vor einem Baum, dessen Rinde herunterhängt. Offenbar die Folge eines Autounfalls. Hundertwasser geht an den Kofferraum, schleppt einen Eimer mit Fett und einem Pinsel herbei. Sein Verbandszeug für einen verletzten Stamm. "Achtung, passen Sie auf, er darf nicht ausbluten!", ruft er dabei. Bockelmann kommt mit dem Fotografieren gar nicht hinterher. "Nur nichts verpassen bei diesem seltsamen Menschen, dieser kafkaesken Figur, die den Eindruck macht, als sei sie soeben aus einem ihrer eigenen Bilder in die Welt gestiegen."
Sie unternehmen Reisen auf einem Kutter. Ihr Fahrziel: Venedig. Bockelmann studiert den Mann an der Reling, der damals in den Siebzigern seine große Zeit hat. Er bewundert ihn wegen seiner Rigorosität in der Kunst, des unaufhörlichen Kampfes gegen alle geraden Linien, gegen das Grau in dieser Welt. "Er ist der erste Grüne gewesen. Die Begegnung mit Hundertwasser hat mich erst richtig vorbereitet auf meinen eigenen Beruf als Künstler", sagt Bockelmann. Zusammen bringen sie einen Bildband heraus, Hundertwasser Regentag, Stationen ihrer gemeinsamen Reisen. Eines der ersten Exemplare schickt Bockelmann seinen Eltern nach Hause. Sie sollen einverstanden sein mit dem, was er macht. "Ich hoffe, daß Ihr meine Arbeit mögt!", schreibt er in seiner Widmung. "In Liebe, Euer Manfred".

In den siebziger Jahren hat Bockelmann seine erste Einzelausstellung auf der Baseler Kunstmesse. Auf einer dreimonatigen Reise durch Ostafrika, die Eltern nimmt er mit, entdeckt er für sich "die Malerei der Stille". "Man sieht keine Straßen, keine Zäune – in dieser unendlichen Weite bewegen sich die Menschen in der Ferne wie Ameisen." Diese Perspektiven werden typisch für die Bilder von Bockelmann. Sein Buch mit Hundertwasser endet mit dem Satz des Meisters: "Das einzige, was der Mensch braucht, ist der Horizont. Alles andere kann er sich dazuerfinden."

In seinen Landschaftsbildern malt er fortan zunächst die Linie des Horizontes, dann in vielen geologischen Schichten und geometrischen Formen Wiesen, Äcker und Felder. Die Kamera wird zum Skizzenblock seiner Malerei. Fotografie, sagt Bockelmann, sei "die Bewältigung des Augenblicks", die Malerei hingegen "die Bewältigung einer Summe von Augenblicken". 1987 dokumentiert er in einer großen Ausstellung besondere Alltagssymbole – Straßenmarkierungen auf dem Asphalt, die unter der Sommersonne New Yorks zerflossen sind. 1999 reist er nach Sanibel Island in Forida, auf eine der wohl muschelreichsten Inseln der Welt. Sotheby’s in Wien präsentiert das daraus entstandene Fotoprojekt. Dann kehrt Bockelmann wieder an seine Staffelei zurück.

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Sonntag, 3. Januar 2016, 16:51

Metergroß sind die Leinwände, die er für seine Kohlezeichnungen benutzt. Manhattan, die Skylines, Rushhour in den Straßenschluchten. Menschen und Häuser, Licht und Schatten, entstanden aus Millionen von Kohlepixeln. Manfred Bockelmann nennt sich einen Pedanten, leicht von der Hand geht ihm das Zeichnen nicht. Aber das muss es auch nicht. Er erwähnt einen seiner Professoren damals beim Studium in Graz, Rudolf Szyszkowitz. Alte Schule. Der habe beim Unterricht, beim Malen draußen in der Natur, den Pinsel von der rechten in die linke Hand genommen. Wieder und wieder. Warum? "Meine rechte Hand", hat der Professor geantwortet, "ist so verteufelt geschickt, sie macht, was sie will. Sie kann alles. Die linke Hand braucht meine Führung, sonst ist sie nichts."

Kärnten, vor gut 15 Jahren ist Manfred Bockelmann mit seiner Frau Maria und seiner Tochter Leonie wieder hierher zurückgekehrt. Ein Großverdiener in der Kunstszene ist er nie gewesen. Hat die Kontakte in die Galerien nicht gepflegt. Er ist zurechtgekommen, auch ohne Unterstützung durch den Bruder, wie er beiläufig erwähnt.

Latschach heißt der kleine Ort, in dem Bockelmann jetzt wohnt. Auch wer langsam fährt, ist schnell durch. Auf dem Weg dorthin kommt man an Schloss Ottmanach vorbei, dem ehemaligen Elternhaus, das schon seit langer Zeit einer anderen Familie gehört. Ein paar Kurven weiter den Waldweg hoch, dann sieht man das Haus vor sich am Südhang des Magdalensberges. Dunkle, alte Holzbalken und dazwischen Fassaden, die dem Besucher entgegenleuchten. "Schönbrunner Gelb" nennt Bockelmann die Außenfarbe.

Gut möglich, dass auch die Lage des Hofs, der Garten mit den Holzskulpturen jemanden wie Udo Jürgens damals neidisch gemacht hat. Jenseits des Tals mit dem Wörthersee zieht sich die Kette der Dreitausender mit dem Großglockner den Horizont entlang, man ist schnell in Italien. Aber so oft will Bockelmann ja gar nicht mehr weg von hier. Vorne links auf seinem Grundstück steht ein Gebäude, in dem sich früher die Ställe befanden. Viel Komfort ist seitdem nicht dazugekommen. Noch immer gibt es eine Luke für das Heu, ausgetretene Holzbohlen führen in die Gauben. Ein Raum ohne Heizung, ein kalter Wind, der durch die Wände pfeift. An einem Dachbalken hängt ein Rahmen mit einer Zeile von Ingeborg Bachmann: "Am schönsten ist es unter der Sonne unter der Sonne." Sein Atelier!

Es gibt Fotos, die zeigen Udo Jürgens beim Besuch in dieser Künstlerscheune. Zu den Vernissagen von Manfred konnte er nicht gehen, zu einer dieser Ausstellungseröffnungen in Wien, München oder Zürich. Sie haben es versucht, aber dann hat er seinem Bruder, "diesem Maler", nur die Show gestohlen und Autogrammkarten schreiben müssen. Und das wollte er nicht. Das wollte auch Manfred nicht. Deshalb die Besuche in der Scheune.


Eine ORF-Dokumentation zeigt, wie Udo unter den alten Schindeln steht. Mit verschränkten Armen staunend den Blick wandern lässt über die Werke seines Bruders. Die beiden, der eine im feinen Jackett, der andere im groben Pullover, kommen ins Gespräch: Ist es nicht unerhört, dass sich die Qualität in der bildenden Kunst neuerdings vor allem über einen hohen Verkaufspreis der Werke definiert? Natürlich ist es unerhört, "man könnte sogar sagen: Es ist unfassbar." – "Du sagst es."

Was bleibt? Was hast du gemacht aus deinem Leben?

Vor vielen Jahren hat Manfred Bockelmann seinem Bruder einen dieser klobigen Geländewagen abgekauft. Mercedes G-Klasse, 13.000 Mark hat er damals noch bezahlt. In diesem fahrenden Tresor hatte sich Udo während seiner Tourneen zu den Konzertorten chauffieren lassen. Irgendwann wurde das Auto ausgemustert, gehörte zum Inventar von Jürgens’ Ferienhaus an der Algarve. Jetzt steht der Wagen in einem Verschlag neben dem Scheunenatelier in Kärnten. Das Auto kann einen großen, geschlossenen Anhänger ziehen, in den Bockelmann seine Bilder packt, wenn er irgendwo eine Ausstellung eröffnet. In den vergangenen zwei Jahren ist er mit dem Gespann wieder und wieder losgefahren. Mit Zeichnungen, die er als "die wichtigste Arbeit meines Lebens" bezeichnet. Nichts, was sich jemand zu Hause im Wohnzimmer an die Wand über dem Sofa hängt, nichts, was als "Einrichtungsergänzung" infrage käme. Nein, nichts mehr von alledem! Es handelt sich um Porträts ermordeter Kinder.

Geboren ist Manfred Bockelmann im Kriegssommer 1943. "Zufällig habe ich in der richtigen Wiege gelegen." Andere hatten dieses Glück nicht. Juden zum Beispiel. Juden in Kärnten, Juden in Kärnten-Land. 1943 kommen Millionen von Menschen um, darunter Hunderttausende Kinder, "um diese Kinder hat niemand geweint". An sie möchte er erinnern, ihnen ein Gesicht geben: "Zeichnen gegen das Vergessen" – das soll etwas sein, das bleibt. Auch von Manfred Bockelmann.

Es ist ein Plan, der ihn 2013, ein paar Tage vor seinem 70. Geburtstag, gefangen nimmt und seitdem nicht mehr loslässt. Er reist nach Auschwitz, Dachau und Mauthausen. Sammelt Bildbände und Fotografien, er kann den Blick nicht lassen von den sogenannten "erkennungsdienstlichen Fotografien" der Gestapo und der SS, angefertigt nach der Verhaftung oder im KZ. Adrett gekleidete Kinder von Sinti und Roma, die sich vor dem Abtransport noch einmal herausputzen durften. Anders die jüdischen Kinder, die Sträflingskleider tragen und bereits kahlköpfig sind, weil man sie gleich ins Gas schicken wird.
"Diese Kinder sollten vollständig ausgelöscht werden, auch aus der Erinnerung", sagt Manfred Bockelmann. "Indem ich sie male, hole ich sie aus der Statistik der Erinnerung zurück, gebe ihren Gesichtern Gegenwart und Dauer. Denn diese Bilder verbrennt niemand mehr!"
Darum malt er diese Kinder. 120 Porträts sind es mittlerweile. Bockelmann hat sie zum Internationalen Holocaust-Gedenktag 2015 im Berliner Paul-Löbe-Haus des Bundestags ausgestellt. Er hat sie im Wiener Leopold-Museum gezeigt.
Wie malt man das Grauen? Am besten morgens, um die Bilder, die Eindrücke nicht mit in die Nacht zu nehmen. Er beginnt mit der Stirn der Kinder. Mit dem Kohlestift zeichnet er auf der Juteleinwand nach unten. Irgendwann kommen die Augen. "Sie schauen mich an, ängstlich, mutig, müde. Ahnungslos."
Manfred Bockelmann malt nicht mehr wie Manfred Bockelmann. Zum ersten Mal in seinem Leben hat er das Gefühl, dass das, was er als Künstler macht, wirklich Sinn hat.
John, der älteste Bruder, starb 2006 in einem Krankenhaus in Wien, die beiden Brüder waren bei ihm. Udo starb vor einem Jahr. Jetzt ist der Jüngste, Manfred Bockelmann, auch der Letzte.
Er ist der Testamentsvollstrecker seines Bruders. Ob das viele Geld die Erben glücklich macht? Er hat da so seine Zweifel.
Wir sitzen im Esszimmer seines Hauses. Schräg hinter ihm steht ein Bild von Udo im Silberrahmen, Manfred hat es fotografiert. Und dann erzählt Bockelmann von einem kleinen Erlebnis am Hamburger Hauptbahnhof vor ein paar Monaten. Gleis 6, er weiß es noch genau. Da kommt auf dem Bahnsteig ein Mann auf ihn zu. Vermutlich wieder so einer, der denkt, er habe soeben "diesen Maler" getroffen, "den Bruder von Udo Jürgens".

"Sie müssen Manfred Bockelmann sein, der Künstler aus Kärnten!"

Unfassbar. Es hat ihn gefreut.

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Samstag, 16. Januar 2016, 12:14

Danke für diesen Beitrag!

Gruß,

Horst