Im Booklet der o.g. CD befindet sich auch ein kleines Vorwort von Manfred Bockelmann, der sich sehr gerührt und angetan von Aufnahmen Jörg Seidels gezeigt hat. Udo Jürgens' Sohn John ist ebenfalls begeistert von der Idee, dass Jazzmusiker die Kompositionen seines Vaters spielen.
So oder so ein sehr honorables, spannendes und innovatives Projekt von Jörg Seidel, das Udo Jürgens ganz bestimmt gefallen hätte!
Hier noch der im vorigen Beitrag erwähnte Bericht aus dem "Weserkurier" vom 23.11.2015:
Jazzige Hommage an Udo Jürgens
Bremerhavener Musiker Jörg Seidel hat die musikalischen Wurzeln des Entertainers neu entdeckt.
Von Uwe Dammann
"Das ehrenwerte Haus" groovt im Bossa Nova-Stil. Beim gefühlvollen Klavieranschlag für "Merci Cherie" trifft der Ton, gepaart mit dem Saxofon-Solo und dem elegischen Gesang, gut den Kern des Liedes, in dem das Ende einer Liebe besungen wird. Udo-Jürgens-Hits als Jazznummern hat der Bremerhavener Musiker Jörg Seidel eingespielt.
Wer kennt sie nicht, die Udo Jürgens-Hits wie "Griechischer Wein", "Der Teufel hat den Schnaps gemacht" oder "Aber bitte mit Sahne"? Wer den Musiker allerdings nur mit diesen Gassenhauern in Verbindung bringt, macht einen Fehler. Der begnadete Entertainer, der im Dezember 2014 im Alter von 80 Jahren starb, war beim Durchbruch seiner Karriere im Jahre 1966 mit "Merci Cherie" bereits 32 Jahre alt und hatte zuvor schon eine musikalische Biografie vorzuweisen. Die war starke vom amerikanischen Jazz und Swing geprägt. Vor allem in den Fünfzigerjahren hatte Jürgens in Clubs und Bars in Wien und sogar in New York als Pianist gearbeitet. Auch auf Tourneen mit verschiedenen eigenen Gruppen machte er sich als Jazzpianist einen Namen. Er spielte bei Max Greger, trat im Vorprogramm bekannter Schlagerstars auf und komponierte selbst Songs, so auch für Shirley Bassey.
Diese musikalischen Wurzeln des Entertainers, die auch in seiner Romanbiografie "Der Mann mit dem Fagott" thematisiert werden, hat nun der Bremerhavener Jazzmusiker Jörg Seidel für sich entdeckt. Seidel hat die großen Hits von Udo Jürgens neu arrangiert und als Jazzversion auf dem neuen Album mit dem Titel "Merci" herausgegeben. Nicht nur die Fachwelt zeigt sich begeistert von der Einspielung, sondern auch Manfred Bockelmann, Bruder von Udo Jürgens: "Diese Aufnahmen katapultieren mich förmlich zurück in die Zeit der musikalischen Anfänge meines Bruders, der seine Karriere ja als Jazzpianist begonnen hat", sagt Manfred Bockelmann. Für ihn zeigen die Jazz-Interpretationen, wie gut und welchem hohen Niveau Udo Jürgens komponiert habe. Sein Bruder, so Bockelmann, hätte große Freude an dieser CD gehabt.
Das kann man glauben: Jörg Seidel interpretiert die Lieder wie "Immer wieder geht die Sonne auf", "Merci Cherie" oder "Siebzehn Jahr, blondes Haar" auf gelungene neue Art. Nur mit sparsamer Instrumentierung mit Klavier und Gitarre, Schlagzeug und Saxofon, spielt Seidel mit seiner Band die Songs, als ob die Musiker in einer Hotelbar säßen. Obendrein kann der Bremerhavener gut singen. "Die Idee, Titel von Udo Jürgens zu spielen, hatte ich vor ein paar Jahren, habe sie aber dann zugunsten anderer Themen verworfen. Nach dem Besuch eines Udo Jürgens-Konzertes im November letzten Jahres, das mich extrem beeindruckt hat, habe ich sofort meine Kollegen in Klagenfurt kontaktiert, um den Plan in die Tat umzusetzen", erzählt Seidel. Da habe er natürlich noch nicht geahnt, dass die CD posthum erscheinen würde. Nach dem Tod von Udo Jürgens habe man kurz überlegt, das Projekt einzustellen, sei dann aber doch zu dem Schluss gekommen, im Sommer ein Studio anzumieten. Gemeinsam mit vier weiteren Musikern hat Seidel die Titel an zwei Tagen live eingespielt. Persönlich habe er Udo Jürgens leider nicht mehr kennengelernt, sagt er. Dafür sei er mit einem Musiker aus dem Pepe-Lienhard-Orchester befreundet, das jahrelang mit Udo Jürgens auf Tournee war.
Dass sich Seidel an deutschen Schlagern - oder besser Chansons - versucht, ist eher ungewöhnlich. Bisher hat sich der Jazz-Gitarrist und -Sänger, der bald sein 30-jähriges Bühnenjubiläum feiert, schwerpunktmäßig in seinen musikalischen Wurzeln auf den Swing-Gitarristen Django Reinhardt bezogen. Durch frühe Kontakt zu deutschen Sinti und Roma übernahm Seidel deren Musikstil und spielte unter anderem fünf Jahre lang im Quintett des Heidelberger Sinti-Geigers Wendeli Köhler. Nach dieser Phase erschloss er sich Bebop und den Jazz der Westcoast-Musiker und gründete zusammen mit dem Pianisten Joe Dinkelbach und dem Bassisten Gerold Donker das Jörg-Seidel-Swing-Trio, das mit unterschiedlichen Gästen arbeitet - darunter Bill Ramsey, Ron Williams, Greetje Kauffeld, Ines Reiger und Silvia Droste. In seinem European-Swing-Trio spielt er mit Hajo Hoffmann und Jean-Louis Rassinfosse. Neben seiner Tätigkeit als aktiver Musiker war Seidel auch als Dozent an der Hochschule für Künste Bremen tätig, wo er E-Gitarre unterrichtete. Als Dozent für Jazzgesang unterrichtet Jörg Seidel seit 2000 für die "Niederösterreichische Jazzakademie". Ein bisschen Stolz darauf ist Seidel auch, dass er nun aufgrund seiner Arbeit an dem Udo-Jürgens-Jazzalbum gebeten wurde, für einen Bildband * über den Entertainer einen Beitrag zu schreiben. Das Buch soll im nächsten Jahr in Österreich erscheinen. Sein Beitrag behandelt Udo Jürgens' Liebe zum Jazz und die neue CD. "Das freut mich, dass ich als Jazzmusiker meinen berühmten Kollegen in diesem Bildband würdigen kann", sagt Seidel.
* Hierbei handelt es sich um das bereits erschienene Heft "Unvergessen. Das Udo Jürgens Erinnerungs-Magazin" aus der Edition Kleine Zeitung, Österreich.