Heute erscheint "Die schönsten Lieder zur Weihnachtszeit" auf CD und LP.
Zu diesem Anlass hat Steffen Rüth ein Interview mit Jenny & John Jürgens geführt, welches wir Euch hiermit gerne "abdrucken".
Jenny, John, „Die schönsten Lieder zur Weihnachtszeit“ ist ein wahrlich abendfüllendes Werk. 55 Songs in fünf Sprachen, drei Alben, drei Stunden Musik – zumindest musikalisch ist der Weihnachtsabend gerettet.
John Jürgens: Das würde ich auch sagen (lacht). Die weihnachtliche Stimmung ist mit diesem Dreifachalbum garantiert. Und nicht nur das: Selbst für eingefleischte Udo-Jürgens-Fans gibt es ohne Frage die eine oder andere Überraschung.
Überraschungen wie das komplette Album „Buon Natale da Udo Jürgens“, das in den siebziger Jahren in Italien veröffentlicht wurde und nun erstmals überhaupt in digitaler Form zu hören ist?
Jenny Jürgens: Genau. Wir wussten zwar, dass unser Vater auch Lieder auf Italienisch aufgenommen hat, aber wir wussten nicht, dass es so viele sind. Auch das spanische „Yo creo“ war für mich eine Riesenüberraschung.
Und wenn ihr schon nicht alles kennt, dann dürften gerade die italienischen Stücke auch für viele andere Menschen ein unerwarteter Anlass zur Freude sein.
Jenny: Ein echtes Weihnachtsgeschenk eben (lacht). Wir sind uns sicher, dass die allermeisten seiner Fans diese Lieder so, in dieser Sprache, noch nie gehört haben. „Die schönsten Lieder zur Weihnachtszeit“ teilt sich auf in drei Bereiche: Ein Album mit klassischen Weihnachtsliedern, dann „Weihnachten in aller Welt“, wo es neben den italienischen Songs auch Weihnachtslieder auf Englisch, Französisch und Spanisch gibt, sowie eine CD mit dem Namen „Zeit der Lieder, Zeit der Stille“, die zeitlose, besinnliche Stücke enthält, welche nicht nur, aber eben auch, in die Weihnachtszeit passen.
Wann habt ihr die Songsammlung zusammengestellt?
John: Im August. Draußen war es heiß, und dann setzt man sich in die Bude und hört „Buon Natale“. Das war schon lustig.
War es euer Plan von Anfang an, wieder eine Dreier-CD zu machen, so wie schon vergangenes Jahr bei „Da Capo“?
John: Die Idee mit der Dreier-Box entstand, als das Sony Music Team im Archiv den italienischen Schatz entdeckte. Den wollten wir unbedingt mit einbinden.
Wie geht ihr beim Suchen und Zusammenstellen vor. Habt ihr eine große Schatztruhe mit den alten Aufnahmen eures Vaters zuhause?
John: Wir finden immer wieder neue Kostbarkeiten, ob bei den persönlichen Sachen unseres Vaters oder bei der Sony Music. Das Suchen und Finden im Archiv ist eine intensive Gemeinschaftsarbeit von ungefähr einer Handvoll Personen.
Jenny: Das Wühlen in den Kisten und das anschließende Digitalisieren wird schwerpunktmäßig von John gemacht. Ich lebe ja in Spanien und bin nur manchmal dabei, zum Beispiel war ich zwei Mal mit in Zürich, wo wir ein Lager haben.
Was ist denn genau drin in den Kisten?
John: Vor allem Musikkassetten. Unser Vater hatte immer ein kleines Diktiergerät dabei. Oft stand er nachts auf, wenn er wieder nicht schlafen konnte, hat eine Idee, fängt an, diese Idee ins Gerät zu sprechen, setzt sich ans Klavier, spielt ein bisschen, und redet wieder. Auf diese Art von Skizzen stoße ich sehr häufig, ich bin sozusagen gerade permanent mit seiner Stimme zusammen.
Wie viele Bänder gibt es insgesamt?
John: Schwer zu sagen. Bestimmt allein hunderte von Kassetten. Dazu kommen viele VHS-Videos.
Ihr digitalisiert viele der Fotos, Songs und Videos. Macht euch diese Arbeit auch Spaß oder ist sie vor allem mühsam?
John: Naja, beides (lacht). Es ist schon auch eine Freude, wenn wir uns mit den Liedern unseres Vaters beschäftigen. Aber es ist eine aufwendige Arbeit, die alten in zeitgemäße Aufnahmen ins Digitale umzuwandeln. Wir haben uns erstmal hochwertige Kassettenabspielgeräte mit USB-Ausgang besorgt. Es muss ja alles in den Computer überspielt werden.
Auf der dritten CD „Zeit der Lieder, Zeit der Stille“ ist auch das Lied „Mein größter Wunsch“ enthalten. Udo singt im Text: „Mein letztes Lied, sei wie ein Band/Ein starkes Band, das uns verbindet/Damit die Wärme nicht verschwindet/Aus diesem oft so kalten Land.“
John: Der Song ist mehr als dreißig Jahre alt und könnte doch aktueller kaum sein. Und ich fürchte, er wird auch immer aktuell bleiben.
Jenny: Seine Stimme fehlt heute. Allein die letzten Jahre hätten unserem Vater genügend Material an die Hand gegeben, um hundert Songs zu schreiben. Manchmal denke ich mir, wie schön es wäre, nochmal mit ihm sprechen zu können und ihm zu erzählen, was alles passiert ist, seitdem er nicht mehr da ist.
Krisen und Kriege ändern sich, doch die Aussagen von Udo Jürgens waren immer sehr klar, sehr konstant. So wie in „Wünsche zur Weihnachtszeit“, wo es um Zusammenhalt und Nächstenliebe geht.
John: Der Aufruf zur Gemeinsamkeit war definitiv eines seiner großen Themen und Anliegen. Er hat die Gedanken auf die wirklich wichtigen Dinge des Lebens gelenkt. Dieses „Du hast diesen, du hast jenen Glauben“ oder „Du bist schwarz, du bist weiß“, das war alles unerheblich für ihn. Auch Überlegungen wie „Hier ist eine Grenze, da darfst du nicht rübergehen“ waren ihm fremd. Udo wusste: Wir sind alle eine Menschheit auf einem Erdball. Und dieser Erdball ist krank. Wir können ihn nur gemeinsam retten.
Die Religion war immer ein Thema, an dem er sich gerieben hat.
Jenny: Absolut. Udo war Atheist. Auch wegen der traumatischen Erinnerungen an seine eigene Kindheit, wo er in der Schule auf einem Holzscheit unter einem Kruzifix knien musste, bis ihm die Knie wehtaten. Diese Kärtner Bergwelt, in der er als kleiner Junge aufwuchs, die war traumatisch für ihn. Und er hat natürlich Recht, wenn man sich anschaut, wie Auseinandersetzungen und Kriege aufgrund des Glaubens immer nur alles kaputtmachen.
Seid ihr denn früher als Kinder alle zusammen in die Kirche gegangen?
Jenny: Nein. Nie.
John: Wir haben unsere drei Kinder, als sie noch klein waren mit den Omas in die Kirche geschickt und diese Zeit genutzt, alles für die Bescherung vorzubereiten. Das Verständnis für Brauchtum ist uns sehr wichtig, aber eben auch der religiöse Ursprung.
Weihnachten ist ja das Fest der Besinnlichkeit und der Familie. Wie lief das bei euch ab, als ihr selbst Kinder wart?
Jenny: Immer sehr harmonisch. Für die Mama natürlich stressig mit dem ganzen Kochen. Und unser Papa bestand jedes Jahr auf diesem in Salz gebadeten Baum, der aussieht, als ob Schnee auf ihm liegt. Das kannte er von seinen Eltern.
Wie badet man denn einen Tannenbaum in Salz?
Jenny: Das war immer ein irrsinniger Akt. Man stellt eine Art Salzpampe her, die man auf den Baum klebt. Und in meiner Erinnerung war unser Weihnachtsbaum immer riesig. Was aber vielleicht auch daran liegt, dass ich selbst noch so klein war.
Wie lief denn das Weihnachtsfest bei euch ab?
Jenny: Sehr klassisch. Wir haben uns alle sehr gut angezogen, das machen wir übrigens heute noch. Wenn mein Mann David und ich zusammen auf Mallorca feiern, dann tragen wir Sakko und schwarzes Kleid. Zu essen gab es oft Karpfen, das war unser Weihnachtsklassiker. Ich erinnere mich aber auch an Gans oder Ente.
Gab es ein Ritual für die Bescherung?
Jenny: Wir mussten draußen im Flur sitzen und warten. Irgendwann klingelte die Mama mit dem Glöckchen, wir sind ins Wohnzimmer gerast, und da standen die Fenster auf. Wir lebten ja in Kitzbühel und konnten direkt auf den Hahnenkamm gucken. Dann sagte der Papa „Jetzt ist es gerade weggeflogen“ und schaute dramatisch aus dem Fenster. Er meinte natürlich das Christkind.
Und dann wurden die Geschenke ausgepackt?
John: Immer erst am Schluss. Wenn wir reingekommen sind, saß unser Papa am Klavier und spielte „Stille Nacht, heilige Nacht“. Dann kam die Nummer mit dem Fenster. Dann spielte er noch ein paar Lieder. Es war schon alles sehr aufregend und stimmungsvoll.
Was hatte er an?
John: Anzug und Krawatte, dazu ein rotes Einstecktuch. Wenn ich heute mit der Familie feiere, ist das auch so: Mein Sohn und ich tragen Anzug, die Damen schicke Kleider, und natürlich wird das beste Geschirr rausgeholt. Wenn nicht an Weihnachten, wann dann?
Habt ihr früher zu viert gefeiert?
Jenny: Meistens kamen noch ein paar einsame, übriggebliebene Freunde dazu. Manchmal waren auch Omi und Opi dabei. In Kitzbühel war immer Open House. Aber Weihnachten war nichts im Vergleich zu Silvester. Dann kamen die ganzen Skistars und auch andere Prominente. Silvester war bei uns die Hölle los.
Was habt ihr eurem Vater geschenkt?
Jenny: Das war immer ein bisschen schwierig. Wir haben viel selbst gebastelt. Ich habe ihm mal einen kleinen Teppich fürs Bad gewoben. Oder ihm einen Brief geschrieben, wie viel er mir bedeutet.
John: Wir sind ja ins Rudolf-Steiner-Internat gegangen, wo selbstgemachte Sachen sowieso einen großen Stellenwert hatten. Ich erinnere mich an selbstgezogene Bienenkerzen und an eine kleine Glasmalerei-Figur, auf die ich sehr stolz war.
Wenn Udo Jürgens eine Weihnachtsbotschaft hätte, wie sähe die aus?
John: Unser Vater war ein sehr politischer Mensch und die aktuelle Weltsituation hätte ihn sehr besorgt. Ihm war Toleranz, Menschlichkeit und Frieden sehr wichtig.
Seine hoffnungsvolle Botschaft wäre heute wichtiger denn je:
„Wenn ihr morgen Hilfe sucht,
Laßt uns Hilfe leben!
Wenn wir Liebe finden woll′n,
Laßt uns Liebe geben!
Eine Hand, die Wunden heilt,
Fragt nicht nach dem Grund.
Diese Welt braucht auch dich.
Schenk' ihr ein Licht!“
Quelle: Sony Music / franel