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Udo Jürgens begeisterte sein Publkum in der Wiener Stadthalle und darf bald in die Oper

Wer drei Mal die Wiener Stadthalle füllt, ist entweder ein ATA (ein Artist, ein Tier, eine Attraktion), eine Seniorenausstellung oder Udo Jürgens, bleiben wir aus gegebenen Anlass bei Udo.

Am Freitag eröffnete er seine Trilogie mit einem dreistündigen Konzert. Mit den drei Stunden am Samstag und den drei am Sonntag (die Basis für eine Live-Platte) wird er insgesamt neun Stunden auf dem Vogelweideplatz gewesen sein. Davon hat er dann eineinhalb Stunden Pause gemacht. Eine Stunde einen weißen Bademantel getragen und Zugaben gegeben. Dreißig Minuten Blumen eingesammelt, um diese auf seinen weißen Flügel zu legen. 15 Minuten entgegengestreckte Hände berührt. 40 Minuten kluge Worte gesprochen. Zehn Minuten Tee getrunken. Und die Differenz zu neun Stunden also sehr lange, beachtlich musiziert.

"Er ist ein Gott", sagte die junge blonde Dame, bestimmt eine Anhängerin der Vielgötterei, zu Pause. Ein Gott? Ein Gottesbeweis? Jedenfalls eine Erscheinung.

EIN NEUER WIND

Das Konzert beginnt - wie fast jedes in der Stadthalle - im Dunkeln. Es beginnt jedoch auch - wie fast keines in der Stadthalle - im Zuschauerraum. Zuerst taucht ein Trommler im Scheinwerferlicht auf. Dann eine Streichergruppe. Bläser am ersten Rang. Ein Flötist. Und plötzlich Udo mit weißem Hemd, rotem Gilet und kleinem weißen Elektroklavier, um später rotweißrot zu sagen, was für ihn Sache ist und man von ihm noch nicht so explizit gehört hat. "Es herrscht ein neuer Wind im Land", meint er, um seinen Schlagwerker, einen Schwarzafrikaner, vorzustellen. Dieser lebt sein 23 Jahren in der Schweiz, ist seither Mitglied der Pepe-Lienhard-Band und hatte, erzählt Udo, diesmal Probleme mit dem Einreisevisum. "Vergiss nicht, am Montag musst du wieder raus". Dann begrüßt Udo die mitgeschleppten Zuschauer - "vor allem sie, weil von ihnen wünsche ich mir, dass sie nach Hause gehen und sagen: Ein schöner Abend". Spielt eine wunderbar reduzierte Version seines zeitgemäßen All-Time-Classic-Hits "Mit 66 Jahren...." (heuer feierte er ebendiesen Geburtstag). Stellt neue Lieder vor, vielleicht ein bisschen besinnlicher als seine alten. Und spielt ein symphonisches Werk, das er für die Berliner Philharmoniker komponierte. Das die "Krone der Schöpfung" nennt. Und das man ihm gerne verzeiht.

Im zweiten Teil, dem selbst ausgerufenen Partyteil, gibt er Hadern* auf Hadern*, manche wie in besten "Musik ist Trumpf"-Zeiten zu einem Hadern*-Medley vereint, spielt immer noch "Merci Cherie", "Der Teufel hat den Schnaps gemacht" und "Aber bitte mit Sahne", begeistert sein Publikum, rührt es zu Tränen, macht es zu Bühnenstürmern, stehende Ovationeuren.

Dass er für sein Alter gut sei und ausgezeichnet tanze, wäre eine Beleidigung. Udo Jürgens ist, was er noch lange sein wird: Österreichs bester Entertainer, ein seriöser Komponist, exzellenter Selbstdarsteller, Beherrscher der großen Geste und ein Meister des Sentiments. Am 1.Juli darf er nur mit seinem Klavier sogar in die Wiener Staatsoper. Man gönnt es ihm.

* österreichisches Wort für Hit oder Ohrwurm

(Kurier vom 2.12.2000)