Sie sind nicht angemeldet.

Rezension: udo 90 - Das Geburtstagsgeschenk, was keines ist

Wie gerne hätte ich schöne Worte gefunden für das, was nun vor mir liegt. Aber man hat es uns, den langjährigen Fans, schwer gemacht, dieses Werk zu akzeptieren. Als Hommage, als Jubiläumsalbum, als ein Geburtstagsgeschenk an Udo und seine Fans.

Gute 7 Stunden habe ich mich mit diesem "Werk" beschäftigt. Wo ich anfangen soll ist schwer - fehlen mir doch ein wenig die Worte.

Fangen wir mal mit dem offensichtlichen an, was wir alle schon vorher gesehen haben:
Das ganze Konzept ist eine einzige, lieblos zusammengestellte Frechheit gegenüber den (langjährigen) Fans und, wenn man mich fragt, dem Künstler Udo Jürgens gegenüber. Einfache Titelanreihung der Singles in, meistens - denn auch hier gibt es Fehler -, chronologischer Reihenfolge.
Neben dem "neuen" Titel "Als ich fortging" - darauf komme ich später noch zurück - sind gerade mal vier bislang nicht digital oder auf CD erschienene Titel vorhanden ("Abbracciami forte", "Edelweiß", "Wahre Liebe ist ganz leise" & "Matador (spanisch)"). Dies wiederum gilt auch nur für die "5CD-Premium-Version", die anderen Auflagen müssen sich mit "Als ich fortging" begnügen. Dabei wäre bei diesem "Konzept", nämlich sich an den Singles zu orientieren, so viel Potential gewesen, wenigstens die "Single-Only-Tracks" mit aufzunehmen. Wahre Perlen wie "Wenn Du mich liebst", "Deine Tränen in der Nacht", "Wieder allein", etc. wären zu nennen als auch z.B. "Rot blüht der Mohn" in der Single-Version, wo man nun aber auf die Album-Version zurückgegriffen hat.
Dafür sind dann wiederum Titel enthalten, die nie eine Single waren ("Reach For The Stars"), nur Promo-Single waren ("Es lebe das Laster", "Jetzt oder nie", "Der ganz normale Wahnsinn", ...) oder gar Versionen, die so niemals offiziell erschienen sind ("Gestern - Heute - Morgen [Demo-/Promo-Version]"). Und selbst das wurde im Fall von "Es lebe das Laster" nicht durchgezogen - denn statt die "Radio Version" von der Promo-Single zu nehmen, hat man dann doch wieder auf die Album-Version zurückgegriffen.

Das Booklet, zumindest in der Premium-Version, bietet immerhin ein paar interessante Geschichten der Textdichter Oliver Spieker, Michael Kunze, Wolfgang Hofer, Thomas Christen und Uli Heuel. Die sind durchaus lesenswert, auch wenn man ein paar der Geschichten als langjähriger Fan schon kannte - aber nicht alle.
Allerdings weißt das Booklet auch so einige Fehler auf. So sei "Kiss Me Quick" bereits 1956 als Single erschienen statt, wie es richtig wäre, 1963 und somit sogar 5 Jahre vor dem Original-Interpreten (Elvis). "Morgen bist du nicht mehr allein" ist angeblich 1968 produziert und 1967 veröffentlicht worden - es ist genau andersherum. Und der gerade erst veröffentlichte Titel "Als ich fortging"? Angeblich 2014 erschienen, wobei der Text auch von Udo Jürgens stammen soll - Michael Kunze wäre richtig gewesen.
Fotos aus dem Privatarchiv von Udo Jürgens sollen sich im Booklet finden lassen. Das mag stimmen, aber sie beschränken sich auf ein absolutes minimum. Bis auf zwei bis max. drei Fotos kennt man - oder zumindest ich - alle bereits aus vergangenen Veröffentlichungen in Büchern, Bildbänden, Berichterstattungen, etc.

Die Covergestaltung und das generelle Layout des Produkts ist natürlich reine Geschmackssache. Mir persönlich gefällt es nicht.
Positiv für die LP und Premium-Version ist allerdings zu erwähnen, dass die Signatur von Udo Jürgens gesondert gedruckt und etwas abgehoben ist. Das wertet ein wenig auf, macht aber den Eindruck insgesamt nicht wieder gut.

Fazit:
Zum kommenden 90. Geburtstag von Udo Jürgens hätte man sich bedeutend mehr einfallen lassen können und, für einen Künstler solchen Formats, auch einfallen lassen müssen!
Einen Titel wie "Es waren weiße Chrysanthemen" hätte Udo Jürgens niemals zugelassen. Diese Schaffensperiode hasste er so sehr, dass er für die Verfilmung "Der Mann mit dem Fagott" sogar neue Titel in diesem Stil schrieb, damit bloß nicht diese damaligen Aufnahmen verwendet werden.
Ebenso hätte Udo Jürgens keine Namensgebung á la "udo 90" zugelassen - zu groß das Problem mit dem älter werden und der dahinrinnenden Zeit. "udo 70" und "udo 80" waren da ein ganz anderes Thema - Jahreszahl bezogen, zu dem jeweiligen Zeitpunkt weit weg vom entsprechenden Alter.

Man hat den Künstler einfach nicht verstanden. Oder man wollte ihn nicht gebührend ehren. Das spiegelt diese Veröffentlichung wieder.
Bleibt uns zu hoffen, dass wenigstens die zum Jahresende angekündigte Werkschau (die eine Auswahl an 56 Studio- und Live-Alben in einer wertigen 70CD-Box enthalten soll) dem Künstler und seinem Werk gerecht wird. Aber wenn ich ehrlich bin: Viel erwarten tue ich nicht mehr, denn Personen mit Expertise sind an der Produktentwicklung offenbar nicht mehr beteiligt.

 

Eine Rezension von Patrick Schröder