Sie sind nicht angemeldet.

1

Mittwoch, 19. Dezember 2001, 21:32

Gilbert Becaud

Dieser Beitrag hat am Rande auch etwas mit Udo zu tun, deshalb habe ich ihn ausgewählt:


GILBERT BECAUD

. . . und seine Lieder leben weiter

Der französische Sänger und Entertainer starb im Alter von 74 Jahren in Paris an Krebs.

Von Tanja Kuchenbecker

Paris - Er war schon ein sehr, sehr guter Typ. Extrem lebensfroh, einer der nur gut gelebt hat, und der sich in nichts zurückgehalten hat. Er hat geraucht, getrunken, wenig geschlafen, war immer in Gesellschaft, hatte immer Spaß neben der Arbeit. Er war ununterbrochen voller Power und Energie, so wie auf der Bühne. Er war wie eine Kerze, die auf beiden Seiten brennt", erinnert sich Udo Jürgens an sein großes Vorbild und seinen Freund Gilbert Bécaud. Gestern ist "Monsieur 100 000 Volt" in Paris gestorben. Der 74-Jährige erlag in seinem Hausboot auf der Seine im Pariser Vorort Saint-Cloud seinem Lungenkrebs. Ein halbes Jahrhundert hat Bécaud das populäre französische Chanson verkörpert, als Deutschlands längstgeliebter Chansonnier.
Schon vor einigen Jahren war der Kettenraucher wegen Krebs in der Mundhöhle behandelt worden. Wieder mal ein Anlass, endlich in Rente zu gehen. Für kurze Zeit angelte Bécaud, wanderte in den Bergen und ruhte sich aus. Doch immer wieder fand er zur Musik zurück: "Wenn ich nichts zu tun habe, erlösche ich wie eine Kerze." So arbeitete der Todkranke bis zuletzt an seiner neuen Schallplatte "Mon Cap".
Bécaud war Autor und Komponist von mehr als 400 Chansons, darunter so berühmte wie "Nathalie" und "Et maintenant", ein Hit, der auf Englisch - "What now my love" - auch von Frank Sinatra und Barbra Streisand gesunden wurde. Swing, Romantik und Dramatik der Chansons machten Bécaud zum Star. Der Sänger mit der rauen Stimme komponierte für Dalida den Song "Am Tag als der Regen kam", der 1959 die deutschen Hitparaden anführte.
Der charmante Südfranzose war vor allem ein Entertainer. Ein Energiebündel, das auf der Bühne eine explosive Stimmung verbreitete. Unerreicht blieb Bécauds Körpersprache, die er beim Meisterpantomimen Marcel Marceau einstudierte. Bécaud wirbelte mit den Händen, raufte sich die Haare, schlug um sich, zitterte. In den frühen Jahren wurden die Frauen hysterisch wie sonst nur bei Rockkonzerten.
Geboren wurde Bécaud am 29. Oktober 1927 in einer Händlerfamilie in Toulon unter dem Namen Francois Gilbert Silly. Kaufmann wollte er nie werden, er sprach schon als Kind davon, dass sein Leben der Musik gehöre. Gleich nach dem Zweiten Weltkrieg kam er noch als Teenager nach Paris und schlug sich als Pianist in Nachtclubs, Cafés und Bistros durch. Bis er schließlich von Edith Piaf entdeckt wurde. Sie sang viele seiner Kompositionen, brachte ihn mit Dichtern zusammen, deren Texte Bécaud vertonte, und verschaffte ihm 1953 den ersten großen Auftritt im Olympia. Die Zuschauer zerstörten vor Begeisterung die Stühle. Danach wurde Bécaud in aller Welt berühmt, vor allem in Deutschland. "Er war damals ständiger Gast in meiner Sendung ,Meine Melodie‘", erinnert sich Udo Jürgens. Jahrzehntelang aalte sich der Franzose dann im Showgeschäft, absolvierte ungezählte Tourneen, Auftritte im Fernsehen, in Filmen und bei Festivals.

"Ich verdanke meinen Erfolg vor allem meinen Frauen. Kiki hat mir geholfen zu werden, wie ich bin. Kitty hat dafür gesorgt, dass ich bleibe, wie ich bin."
So feierte er 1966 drei Wochen am Broadway Triumphe. 1978 komponierte er für Barbra Streisand ein Musical, schuf 1981 gemeinsam mit Neil Diamond die Songs für den Film "Der Jazzsänger". Die Großen des Showgeschäfts sangen seine Lieder.
Seit Ende der 80er-Jahre zog sich der Chansonnier mehr und mehr ins Private zurück. Mit einem Konzert im Pariser Olympia nahm er 1991 offiziell, aber dann doch nur vorläufig Abschied von der Bühne. Vor zwei Jahren dann machte sich der Krebs bemerkbar. Seine Platte "Faut faire avec" (Man muss damit leben) nahm er mit einer sehr tiefen Stimme auf. Nicht nur in seiner Karriere lebte der Sänger mit 100 000 Volt. Auch sein Familienleben führte er so. Er war zweimal verheiratet und ist Vater von fünf Kindern. Seine erste Frau Monique, genannt Kiki, verließ er nach 21 Jahren Ehe und drei Kindern für das zwölf Jahre jüngere amerikanische Modell Kitty. Mit Kitty, die er 1973 heiratete, lebte er in den vergangenen Jahren zwischen einem Landhaus bei Poitiers, einem Haus auf Korsika, und vor allem auf seinem Hausboot. Dem lebenslustigen Bécaud gelang es sogar, dass Kiki und Kitty Freundinnen wurden. Er erklärte immer: "Ich verdanke meinen Erfolg vor allem diesen Frauen. Kiki hat mir geholfen zu werden, wie ich bin. Kitty hat dafür gesorgt, dass ich bleibe, wie ich bin."
Auf seine Gesundheit achtete Bécaud bei seinem Hochgeschwindigkeitsleben jahrzehntelang kaum. Keiner rauchte so überzeugend Gauloise wie er. Immer wieder versuchte er abzunehmen. Vor einigen Jahren gab er dann den Whisky auf und genehmigte sich nur noch hin und wieder ein Glas Wein. Inzwischen waren die Zeiten vorbei, in denen hysterische Teenager bei seinen Konzerten "Gilbert" schrien. Das Publikum war mit Bécaud gealtert. Im Mai 2000 jubelte es ihm in der Frankfurter Alten Oper und im Berliner Schauspielhaus dann noch einmal zu. "Leider hat man ihm in den letzten Jahren deutlich angesehen, dass er nicht gesund war. Er hat sicherlich das Rauchen in extremem Maße übertrieben", sagt Udo Jürgens.
Als die ZDF-Moderatorin Nina Ruge den "Profi-Charmeur" vor zwei Jahren nach seiner Krankheit fragte, wollte er den Zuschauern glauben machen: "Das war irgendwie ein freundlicher Krebs." Bécaud weigerte sich, ein Fazit seines Lebens zu ziehen: "Ich schaue nie zurück. Das interessiert mich nicht. Ich möchte nach vorn schauen."
Hamburger Abendblatt (T. Kuchenbecker)